„Einlagefazilität“ – Versionsunterschied

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Die Initiative zu Einlagegeschäften geht von den Geschäftsbanken aus. Sind diese für Transaktionen mit der EZB zugelassen, so können sie bei der Zentralbank kurzfristig nicht benötigtes Geld anlegen. Aufgrund der kurzen [[Fristigkeit]] solcher Geschäfte bezeichnet man diese Form der Finanzierung auch als [[Übernachtanlage]] oder Overnight-Money.
Die Initiative zu Einlagegeschäften geht von den Geschäftsbanken aus. Sind diese für Transaktionen mit der EZB zugelassen, so können sie bei der Zentralbank kurzfristig nicht benötigtes Geld anlegen. Aufgrund der kurzen [[Fristigkeit]] solcher Geschäfte bezeichnet man diese Form der Finanzierung auch als [[Übernachtanlage]] oder Overnight-Money.


Hat die Bank am Tagesende offene [[Habensaldo|Habensalden]] auf den [[Europäisches System der Zentralbanken|ESZB]]-Konten, werden diese automatisch zu Einlagefazilitäten. Als Preis für die Inanspruchnahme der Einlagefazilität erhalten bzw. zahlen sie den Einlagesatz (teilweise auch Einlagefazilitätssatz).
Hat die Bank am Tagesende offene [[Habensaldo|Habensalden]] auf den [[Europäisches System der Zentralbanken|ESZB]]-Konten, werden diese automatisch zu Einlagefazilitäten. Als Preis für die Inanspruchnahme der Einlagefazilität erhalten bzw. zahlen sie den Einlagesatz (teilweise auch Einlagefazilitätssatz).


Einlagefazilitäten werden dauerhaft und in unbegrenztem Volumen angeboten; daher bezeichnet man sie auch als [[ständige Fazilität]].
Einlagefazilitäten werden dauerhaft und in unbegrenztem Volumen angeboten; daher bezeichnet man sie auch als [[ständige Fazilität]].
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Die erste Bedeutung dieses Instruments liegt darin, dass die Geschäftsbanken von sich aus jederzeit Liquidität anlegen und damit Liquiditätsüberschüsse vermeiden können.
Die erste Bedeutung dieses Instruments liegt darin, dass die Geschäftsbanken von sich aus jederzeit Liquidität anlegen und damit Liquiditätsüberschüsse vermeiden können.


Zweitens hat die Einlagefazilität eine geldpolitische Bedeutung: Grundsätzlich können Geschäftsbanken auch über den [[Geldmarkt]] ([[Interbankenmarkt]]) Übernachtanlagen tätigen. Allerdings müssen dort getätigte Übernachtanlagen zwangsläufig teurer (das heißt höher verzinst) sein als die Einlagefazilität, da ansonsten auf dem Interbankenmarkt keine Geschäfte zustande kommen. Daher bildet der Einlagesatz die untere Grenze der für Übernachtanlagen erhobenen Zinsen. Erhöht (senkt) die EZB den Einlagesatz, so werden auch die Geschäftsbanken ihren Zins für Übernachtanlagen erhöhen (senken) – folglich dient der Einlagesatz auch zur Durchsetzung der [[Zinspolitik]] am Markt.
Zweitens hat die Einlagefazilität eine geldpolitische Bedeutung: Grundsätzlich können Geschäftsbanken auch über den [[Geldmarkt]] ([[Interbankenmarkt]]) Übernachtanlagen tätigen. Allerdings müssen dort getätigte Übernachtanlagen zwangsläufig teurer (das heißt höher verzinst) sein als die Einlagefazilität, da ansonsten auf dem Interbankenmarkt keine Geschäfte zustande kommen. Daher bildet der Einlagesatz die untere Grenze der für erhobenen Zinsen. Erhöht (senkt) die EZB den Einlagesatz, so werden auch die Geschäftsbanken ihren Zins für Übernachtanlagen erhöhen (senken) – folglich dient der Einlagesatz auch zur Durchsetzung der [[Zinspolitik]] am Markt.
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Datei:ECB deposit facility.svg|Inanspruchnahme der Einlagefazilität der Europäischen Zentralbank
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Version vom 29. Februar 2024, 00:50 Uhr

Wichtige Leitzinsen (Stand: 27. September 2024)
Zinssatz Höhe
Europäische Zentralbank (gültig ab: 18. September 2024)
Einlagesatz (deposit facility rate) 3,50 %
Hauptrefinanzierungssatz (main refinancing operations rate) 3,65 %
Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending facility rate) 3,90 %
Schweizerische Nationalbank (gültig ab: 27. September 2024)
SNB Leitzins 1,00 %
Federal Reserve System (gültig ab: 19. September 2024)
Federal-Funds-Rate-Zielband 4,75 bis 5,00 %
Primary Credit Rate 5,00 %
Bank of Japan (gültig ab: 31. Juli 2024)
Overnight Call Rate 0,25 %
Bank of England (gültig ab: 1. August 2024)
Official Bank Rate 5,00 %
Chinesische Volksbank (gültig ab: 22. Juli 2024)
Diskontsatz (one-year lending rate) 3,35 %
Reserve Bank of India (gültig ab: 8. Februar 2023)
Repo rate 6,50 %

Die Einlagefazilität (englisch deposit facility) ist eine Möglichkeit für Geschäftsbanken im Euroraum, kurzfristig nicht benötigtes Zentralbankgeld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) anzulegen. Als Verzinsung erhalten bzw. zahlen sie den von der Zentralbank vorgegebenen Einlagesatz. Es handelt sich somit um ein Wahlrecht zur Geldanlage, welches von der Zentralbank gewährt wird und stellt ein wichtiges geldpolitisches Instrument der EZB dar.

Durchführung

Die Initiative zu Einlagegeschäften geht von den Geschäftsbanken aus. Sind diese für Transaktionen mit der EZB zugelassen, so können sie bei der Zentralbank kurzfristig nicht benötigtes Geld anlegen. Aufgrund der kurzen Fristigkeit solcher Geschäfte bezeichnet man diese Form der Finanzierung auch als Übernachtanlage oder Overnight-Money.

Hat die Bank am Tagesende offene Habensalden auf den ESZB-Konten, werden diese automatisch zu Einlagefazilitäten. Als Preis für die Inanspruchnahme der Einlagefazilität erhalten bzw. zahlen sie den Einlagesatz (teilweise auch Einlagefazilitätssatz). Ist er positiv, verdienen die Banken, die überschüssige Liquidität bei der EZB halten, Geld. Seit 2014 war der Einlagenzins aber negativ, seit 2019 betrug er minus 0,5 Prozent. Viele Kreditinstitute haben somit Verluste durch den Einlagenzins verzeichnet. In der Folge haben sie für Kunden ab einem bestimmten Sparguthaben Verwahrentgelte eingeführt. Ab Juli 2022 hat die Trendwende eingesetzt: Mit der zehnten EZB-Zinserhöhung vom September 2023 liegt der Einlagensatz bei mittlerweile 4,00 Prozent.[1]

Einlagefazilitäten werden dauerhaft und in unbegrenztem Volumen angeboten; daher bezeichnet man sie auch als ständige Fazilität.

Einordnung

Der Einlagesatz wird üblicherweise als einer der drei Leitzinsen der EZB bezeichnet. Der Zinssatz wird vom EZB-Rat festgelegt und bildet die Untergrenze des Zinskorridors. Die Einlage ist das Gegenstück der Spitzenrefinanzierungsfazilität. Längerfristige Liquidität wird den Banken vor allem über das Hauptrefinanzierungsinstrument zur Verfügung gestellt.

Mit dem Übergang der Zuständigkeit für die Geldpolitik auf die EZB hat die Einlagefazilität die früheren Rediskontkontingenten abgelöst.

Bedeutung für den Geldmarkt

Die Einlagefazilität erfüllt vor allem zwei Funktionen:

Die erste Bedeutung dieses Instruments liegt darin, dass die Geschäftsbanken von sich aus jederzeit Liquidität anlegen und damit Liquiditätsüberschüsse vermeiden können.

Zweitens hat die Einlagefazilität eine geldpolitische Bedeutung: Grundsätzlich können Geschäftsbanken auch über den Geldmarkt (Interbankenmarkt) Übernachtanlagen tätigen. Allerdings müssen dort getätigte Übernachtanlagen zwangsläufig teurer (das heißt höher verzinst) sein als die Einlagefazilität, da ansonsten auf dem Interbankenmarkt keine Geschäfte zustande kommen. Daher bildet der Einlagesatz die untere Grenze der für Übernachtanlagen erhobenen Zinsen. Erhöht (senkt) die EZB den Einlagesatz, so werden auch die Geschäftsbanken ihren Zins für Übernachtanlagen erhöhen (senken) – folglich dient der Einlagesatz auch zur Durchsetzung der Zinspolitik am Markt.[2]

  1. Manfred Knof: Steigende Zinsen. EZB-Zinserhöhung: was die Entscheidung für Ihr Geld bedeutet. In: Website https://www.commerzbank.de. Commerzbank Aktiengesellschaft, 30. Mai 2023, abgerufen am 28. Februar 2024.
  2. Tobias Schlösser und Jochen Maetje: So steuert die EZB die Geldpolitik. Wie sich der Leitzins auf Ihre Zinsen auswirkt. In: Website https://www.sparkasse.de. S-Communication Services GmbH, abgerufen am 28. Februar 2024.