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„Das Messer im Wasser“ – Versionsunterschied

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== Handlung ==
== Handlung ==
[[Bild:2005-09 Masuren 2.jpg|thumb|Segelboote auf einem [[Masuren|Masurischen]] See. ''„Immer wieder wird die menschenleere Landschaft der Masurischen Seenplatte […] durch Aufnahmen aus einer weiten Perspektive in das Geschehen miteinbezogen“'', so Kroner<ref name="Kroner133">Kroner: S.133</ref>]]
[[Bild:2005-09 Masuren 2.jpg|thumb|Segelboote auf einem [[Masuren|Masurischen]] See. ''„Immer wieder wird die menschenleere Landschaft der Masurischen Seenplatte […] durch Aufnahmen aus einer weiten Perspektive in das Geschehen miteinbezogen“'', so Kroner<ref name="Kroner133">Kroner: S.133</ref>]]
Andrzej, ein arrivierter Sportjournalist, und seine junge Frau Krystyna fahren mit dem Auto aufs Land, um ein Wochenende auf ihrem Segelboot an einem See der [[Masurische Seenplatte|Masurischen Seenplatte]] zu verbringen. Sie nehmen unterwegs einen jungen Anhalter mit und laden ihn ein, sie auf ihrem Ausflug zu begleiten. Im Laufe des Tages entwickeln sich verbale Machtkämpfe zwischen dem bürgerlichen Andrzej und dem rebellischen, freiheitsliebenden jungen Mann. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder das bedrohlich wirkende Messer, mit dem der Junge spielt. Die beiden Männer, in Konkurrenz um die Gunst von Krystyna, messen ihre Kräfte auf verschiedene Arten, doch keiner kann einen klaren Sieg erlangen.
Andrzej, ein arrivierter Sportjournalist, und seine junge Frau Krystyna fahren mit dem Auto aufs Land, um ein Wochenende auf ihrem Segelboot an einem See der [[Masurische Seenplatte|Masurischen Seenplatte]] zu verbringen. Sie nehmen unterwegs einen jungen Anhalter mit und laden ihn ein, sie auf ihrem Ausflug zu begleiten. Im Laufe des Tages entwickeln sich verbale Machtkämpfe zwischen dem bürgerlichen Andrzej und dem rebellischen, freiheitsliebenden jungen Mann. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder das bedrohlich wirkende Messer, mit dem der Junge spielt. Die beiden Männer, in Konkurrenz um die Gunst von Krystyna, messen ihre Kräfte auf verschiedene Arten, doch keiner kann einen klaren Sieg erlangen.


Nach einer Nacht vor Anker ertappt Andrzej seine Frau und den Jungen früh morgens bei einem vertraulichen Gespräch an Deck. Bei einem Handgemenge zwischen den Männern geht erst das wohlgehütete Messer des jungen Mannes über Bord, dann der Junge selbst. Da er zuvor angegeben hatte, nicht schwimmen zu können, befürchtet das Paar, er sei ertrunken. Sie tauchen nach ihm, und Andrzej schwimmt ans Ufer, angeblich um die Polizei zu informieren. Der junge Mann ist jedoch nicht ertrunken, sondern klammert sich unbemerkt an einer Boje fest. Sobald er feststellt, dass Krystyna allein an Bord ist, kehrt er zurück auf das Boot. Er und Krystyna schlafen miteinander. Der Junge verlässt das Boot, bevor Krystyna es an Land bringt, wo Andrzej auf sie wartet. Andrzej hat gezögert, die Polizei in informieren. Krystyna eröffnet ihrem Mann, dass der Junge nicht tot ist und gesteht den Ehebruch, doch Andrzej gibt vor, ihr nicht zu glauben. Das Paar fährt wieder ab. An einer Weggabelung, deren eine Richtung nach Hause, die andere zur Polizei führt, stoppen sie.
Nach einer Nacht vor Anker ertappt Andrzej seine Frau und den Jungen früh morgens bei einem vertraulichen Gespräch an Deck. Bei einem Handgemenge zwischen den Männern geht erst das wohlgehütete Messer des jungen Mannes über Bord, dann der Junge selbst. Da er zuvor angegeben hatte, nicht schwimmen zu können, befürchtet das Paar, er sei ertrunken. Sie tauchen nach ihm, und Andrzej schwimmt ans Ufer, angeblich um die Polizei zu informieren. Der junge Mann ist jedoch nicht ertrunken, sondern klammert sich unbemerkt an einer Boje fest. Sobald er feststellt, dass Krystyna allein an Bord ist, kehrt er zurück auf das Boot. Er und Krystyna schlafen miteinander. Der Junge verlässt das Boot, bevor Krystyna es an Land bringt, wo Andrzej auf sie wartet. Andrzej hat gezögert, die Polizei informieren. Krystyna eröffnet ihrem Mann, dass der Junge nicht tot ist und gesteht den Ehebruch, doch Andrzej gibt vor, ihr nicht zu glauben. Das Paar fährt wieder ab. An einer Weggabelung, deren eine Richtung nach Hause, die andere zur Polizei führt, stoppen sie.


==Entstehungsgeschichte==
==Entstehungsgeschichte==
===Drehbuch und Vorproduktion===
===Drehbuch und Vorproduktion===
Polanski hatte das Szenario zu ''Das Messer im Wasser'' bereits im Rahmen seiner Abschlussarbeit an der [[Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater Łódź|Filmhochschule Lodz]] 1959 zusammen mit [[Jakub Goldberg]] und [[Jerzy Skolimowski]] entworfen.<ref name="Koebner545">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S.545</ref> 1961 signalisierte [[Jerzy Bossak]], der künstlerische Leiter der staatlich finanzierten Filmgesellschaft ''Produktionsgruppe Kamera'', dass das politische Klima in Polen nun geeignet sei, das Projekt zu verwirklichen. Der zum Dreh seiner experimentellen Kurzfilme in [[Paris]] weilende Polanski reiste nach Polen und bekam durch ein Komitee des Kultusministeriums die Erlaubnis, innerhalb von zwei Wochen ein Drehbuch zur Genehmigung vorzulegen. Zusammen mit Skolimowski erarbeitete Polanski innerhalb kürzester Zeit ein drehfertiges Skript, wobei Solimowski, gemäß Feeney, ''„der ideale Partner für die Findung einer präzisen, minimalen Sprache“''<ref name="Feeney33">Feeney: S.33</ref> für die Ausarbeitung der Dialoge zuständig war. Nachdem Polanski den Vorwurf des Komitees der ''„gesellschaftlichen Irrelevanz“'' des Drehbuchs durch das Einfügen eines ''„sozial bewussten Dialogs“'', den er ironischerweise in die Liebesszene von Krystyna und dem Jungen einbaute, entkräftet hatte, bekam das Projekt grünes Licht<ref name="Werner36">Werner: S.36</ref>.
Polanski hatte das Szenario zu ''Das Messer im Wasser'' bereits im Rahmen seiner Abschlussarbeit an der [[Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater Łódź|Filmhochschule Lodz]] 1959 zusammen mit [[Jakub Goldberg]] und [[Jerzy Skolimowski]] entworfen.<ref name="Koebner545">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S.545</ref>
1961 signalisierte [[Jerzy Bossak]], der künstlerische Leiter der staatlich finanzierten Filmgesellschaft ''Produktionsgruppe Kamera'', dass das politische Klima in Polen nun geeignet sei, das Projekt zu verwirklichen. Der zum Dreh seiner experimentellen Kurzfilme in [[Paris]] weilende Polanski reiste nach Polen und bekam durch ein Komitee des Kultusministeriums die Erlaubnis, innerhalb von zwei Wochen ein Drehbuch zur Genehmigung vorzulegen. Zusammen mit Skolimowski erarbeitete Polanski innerhalb kürzester Zeit ein drehfertiges Skript, wobei Solimowski, gemäß Feeney, ''„der ideale Partner für die Findung einer präzisen, minimalen Sprache“''<ref name="Feeney33">Feeney: S.33</ref> für die Ausarbeitung der Dialoge zuständig war. Nachdem Polanski den Vorwurf des Komitees der ''„gesellschaftlichen Irrelevanz“'' des Drehbuchs durch das Einfügen eines ''„sozial bewussten Dialogs“'', den er ironischerweise in die Liebesszene von Krystyna und dem Jungen einbaute, entkräftet hatte, bekam das Projekt grünes Licht<ref name="Werner36">Werner: S.36</ref>.


Polanski wollte ursprünglich den Jungen selbst spielen, doch Freunde rieten ihm mit der Begründung davon ab, es würde zu eitel aussehen, wenn Polanski Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller in Personalunion wäre.<ref name="Polanski146">Polanski: S.146</ref> Seine Darsteller fand Polanski in dem routinierten Film- und Bühnendarsteller [[Leon Niemczyk]] und dem noch wenig erfahrenen Schauspielschüler [[Zygmunt Malanowicz]]. [[Jolanta Umecka]] war eine Musikstudentin gänzlich ohne Schauspielerfahrung, die Polanski in einem Schwimmbad entdeckt hatte. Sie verkörperte für Polanski den idealen Kontrast zwischen Unscheinbarkeit in bekleidetem Zustand und einer reizvollen sexuellen Ausstrahlung, sobald man sie weniger verhüllt in Badebekleidung sah.<ref name="Polanski148">Polanski: S.148</ref>
Polanski wollte ursprünglich den Jungen selbst spielen, doch Freunde rieten ihm mit der Begründung davon ab, es würde zu eitel aussehen, wenn Polanski Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller in Personalunion wäre.<ref name="Polanski146">Polanski: S.146</ref> Seine Darsteller fand Polanski in dem routinierten Film- und Bühnendarsteller [[Leon Niemczyk]] und dem noch wenig erfahrenen Schauspielschüler [[Zygmunt Malanowicz]]. [[Jolanta Umecka]] war eine Musikstudentin gänzlich ohne Schauspielerfahrung, die Polanski in einem Schwimmbad entdeckt hatte. Sie verkörperte für Polanski den idealen Kontrast zwischen Unscheinbarkeit in bekleidetem Zustand und einer reizvollen sexuellen Ausstrahlung, sobald man sie weniger verhüllt in Badebekleidung sah.<ref name="Polanski148">Polanski: S.148</ref>


===Produktion und Nachproduktion===
===Produktion und Nachproduktion===

[[Bild:PolanskiIFFKV.jpg|thumb|Roman Polański im Jahr 2004, 43 Jahre nach den Dreharbeiten zu ''Das Messer im Wasser'']]
Die Dreharbeiten fanden vom Sommer bis zum Herbst 1961 in [[Masuren]] statt. Das Filmteam wohnte gemeinsam auf einem Hausboot.<ref name="Polanski146">Polanski: S.146</ref> Polanski nennt ''Das Messer im Wasser'' einen'' „teuflisch schwierig zu realisierenden Film“''.<ref name="Polanski147">Polanski: S.147</ref> Da auf einem echten Segelboot gedreht wurde, das kaum genug Platz für die drei Darsteller bot, musste das Filmteam über die Reling gelehnt und mit Gurten gesichert arbeiten, wobei ein Generatorboot für die Versorgung des technischen Geräts immer im gleichen Abstand neben dem Segelboot manövrieren musste. Die sich schnell ändernden Licht- und Schattenverhältnisse sowie der sich rasch verändernde Wolkenhimmel ließen die Befürchtung aufkommen, später beim Filmschnitt erhebliche Schwierigkeiten mit [[Anschlussfehler]]n zu haben<ref name="Polanski147">Polanski: S.147</ref>
Die Dreharbeiten fanden vom Sommer bis zum Herbst 1961 in [[Masuren]] statt. Das Filmteam wohnte gemeinsam auf einem Hausboot.<ref name="Polanski146">Polanski: S.146</ref> Polanski nennt ''Das Messer im Wasser'' einen'' „teuflisch schwierig zu realisierenden Film“''.<ref name="Polanski147">Polanski: S.147</ref> Da auf einem echten Segelboot gedreht wurde, das kaum genug Platz für die drei Darsteller bot, musste das Filmteam über die Reling gelehnt und mit Gurten gesichert arbeiten, wobei ein Generatorboot für die Versorgung des technischen Geräts immer im gleichen Abstand neben dem Segelboot manövrieren musste. Die sich schnell ändernden Licht- und Schattenverhältnisse sowie der sich rasch verändernde Wolkenhimmel ließen die Befürchtung aufkommen, später beim Filmschnitt erhebliche Schwierigkeiten mit [[Anschlussfehler]]n zu haben<ref name="Polanski147">Polanski: S.147</ref>


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===Nachwirkung===
===Nachwirkung===
[[Bild:PolanskiIFFKV.jpg|thumb|Roman Polański im Jahr 2004, 43 Jahre nach den Dreharbeiten zu ''Das Messer im Wasser'']]
Polanski erregte mit seinem Erstlingswerk sowohl in Europa als auch in den USA Aufmerksamkeit, die etwa ein Szenenbild aus ''Das Messer im Wasser'' auf das Cover des ''[[Time|Time Magazine]]'' brachte. Der Film war für ihn der Startpunkt seiner internationalen Karriere und zeichnete bereits die Themen seiner großen Erfolge vor: die psychologisch genaue Zeichnung der Figuren, die Untersuchung von gesellschaftlichen Abhängigkeiten und von gegenseitigen Anhängigkeiten in Beziehungen. Diese, so Heer, ''„psychologische [[Vivisektion]]“''<ref name="Heer">Burckhardt Heer: ''Tendenzen im polnischen Film - Eine Dokumentation zu einer Arbeitstagung Ostern 1976 in Vlotho''. Arbeitsgemeinschaft für Jugendfilmarbeit und Medienerziehung - Bundesarbeitsgemeinschaft der Jugendfilmclubs e.V. Aachen 1976. S.13</ref> zieht sich durch weite Teile seines Werkes.
Polanski erregte mit seinem Erstlingswerk sowohl in Europa als auch in den USA Aufmerksamkeit, die etwa ein Szenenbild aus ''Das Messer im Wasser'' auf das Cover des ''[[Time|Time Magazine]]'' brachte. Der Film war für ihn der Startpunkt seiner internationalen Karriere und zeichnete bereits die Themen seiner großen Erfolge vor: die psychologisch genaue Zeichnung der Figuren, die Untersuchung von gesellschaftlichen Abhängigkeiten und von gegenseitigen Anhängigkeiten in Beziehungen. Diese, so Heer, ''„psychologische [[Vivisektion]]“''<ref name="Heer">Burckhardt Heer: ''Tendenzen im polnischen Film - Eine Dokumentation zu einer Arbeitstagung Ostern 1976 in Vlotho''. Arbeitsgemeinschaft für Jugendfilmarbeit und Medienerziehung - Bundesarbeitsgemeinschaft der Jugendfilmclubs e.V. Aachen 1976. S.13</ref> zieht sich durch weite Teile seines Werkes.


Für den polnischen Film insgesamt war ''Das Messer im Wasser'' zusammen mit Filmen wie [[Jerzy Kawalerowicz|Kawalerowicz]] ''[[Mutter Johanna von den Engeln]]'' (1961) oder Skolimowskis ''[[Walkover (Film)|Walkover]]'' (1965) Teil eines Wendepunkts weg von der oft monumentalen Aufarbeitung der eigenen Geschichte hin zu privateren und intimeren Themen.<ref>Marek Hendrykwoski: ''Veränderungen in Mitteleuropa'' in: Geoffrey Nowell-Smith: ''Geschichte des internationalen Films''. Verlag J.B. Metzler Stuttgart und Weimar 2006. ISBN 3-476-02164-5 S.595</ref> [[Andrzej Wajda]] bestätigt: ''„Polanskis Das Messer im Wasser war der Beginn des neuen polnischen Kinos“''.<ref name="Meikle64Z">zitiert in: Meikle: S.64</ref>
Für den polnischen Film insgesamt war ''Das Messer im Wasser'' zusammen mit Filmen wie [[Jerzy Kawalerowicz|Kawalerowicz]] ''[[Mutter Johanna von den Engeln]]'' (1961) oder Skolimowskis ''[[Walkover (Film)|Walkover]]'' (1965) Teil eines Wendepunkts weg von der oft monumentalen Aufarbeitung der eigenen Geschichte hin zu privateren und intimeren Themen.<ref>Marek Hendrykwoski: ''Veränderungen in Mitteleuropa'' in: Geoffrey Nowell-Smith: ''Geschichte des internationalen Films''. Verlag J.B. Metzler Stuttgart und Weimar 2006. ISBN 3-476-02164-5 S.595</ref> [[Andrzej Wajda]] bestätigt: ''„Polanskis Das Messer im Wasser war der Beginn des neuen polnischen Kinos“''.<ref name="Meikle64Z">zitiert in: Meikle: S.64</ref>
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Für Feeney ist ''Das Messer im Wasser'' ein ''„straffer, intimer und handlungsreicher Thriller“''<ref name="Feeney33">Feeney: S.33</ref>, für Thompson und [[David Bordwell|Bordwell]] ein ''„intimes Spannungsdrama“''<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S.461</ref>. Baer nennt den Film ''„ein Dreieck von geradezu klassischer Konstruktion“''. Polanski sei ''„ein unbestechlicher Realist, der mit sparsamsten Mitteln die einzelnen Gestalten psychologisch zu interpretieren versteht.“''<ref name="Koebner545">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S.545</ref>. Gregor und [[Enno Patalas|Patalas]] bescheinigen dem Film ''„den Stil eines psychologischen Kammerspiels.“''<ref name="Patalas301">Ulrich Gregor und Enno Patalas: ''Geschichte des modernen Films.'' Dms - das moderne Sachbuch Band 36. Sigbert Mohn Verlag Gütersloh 1965. S.301</ref> Butler hebt auf die [[Existentialismus|existentialistischen]] Qualitäten des Films ab und konstatiert: ''„Polanski führt uns in eine traurige, graue Welt, wo alle drei Personen in gleicher Weise in der Falle sitzen.“''<ref name="Butler43">Butler: S.43</ref>
Für Feeney ist ''Das Messer im Wasser'' ein ''„straffer, intimer und handlungsreicher Thriller“''<ref name="Feeney33">Feeney: S.33</ref>, für Thompson und [[David Bordwell|Bordwell]] ein ''„intimes Spannungsdrama“''<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S.461</ref>. Baer nennt den Film ''„ein Dreieck von geradezu klassischer Konstruktion“''. Polanski sei ''„ein unbestechlicher Realist, der mit sparsamsten Mitteln die einzelnen Gestalten psychologisch zu interpretieren versteht.“''<ref name="Koebner545">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S.545</ref>. Gregor und [[Enno Patalas|Patalas]] bescheinigen dem Film ''„den Stil eines psychologischen Kammerspiels.“''<ref name="Patalas301">Ulrich Gregor und Enno Patalas: ''Geschichte des modernen Films.'' Dms - das moderne Sachbuch Band 36. Sigbert Mohn Verlag Gütersloh 1965. S.301</ref> Butler hebt auf die [[Existentialismus|existentialistischen]] Qualitäten des Films ab und konstatiert: ''„Polanski führt uns in eine traurige, graue Welt, wo alle drei Personen in gleicher Weise in der Falle sitzen.“''<ref name="Butler43">Butler: S.43</ref>


Werner lobt die Geschichte ''„von verblüffender Einfachheit“''<ref name="Werner37">Werner: S.37</ref> und hebt die von ''„Ironie und Zynismen durchsetzte Sprache“'' hervor, die an Alltagssprache erinnere, aber ''„eine ganz und gar künstliche und kunstvolle“'' sei, ein artifizielles Spiel mit Worten<ref name="Werner38">Werner: S.38</ref> Meikle resümiert: ''„Das Messer im Wasser ist handwerklich hervorragend gemacht, mit so viel Liebe zum Detail, wie man sie im Film nur zeigen kann. Der Film bleibt so lebendig […] in Erinnerung, als habe man an Andrzejs und Krystynas Ausflug auf einer intimeren Ebene teilgenommen als auf der des reinen Zuschauers“''.<ref name="Meikle62">Meikle: S.62</ref> Das [[Lexikon des internationalen Films]] urteilt, der Film sei ''„eine erste Stilprobe Polanskis, die zwischen psychologischem Ernst und leiser Ironie schwankt, aber bereits enormes Talent verrät“.''<ref>[http://www.filmevona-z.de/filmsuche.cfm?wert=11526&sucheNach=titel Kritik des Lexikons des Internationeln Films auf den Seiten von filmevona-z.de]</ref>
Werner lobt die Geschichte ''„von verblüffender Einfachheit“''<ref name="Werner37">Werner: S.37</ref> und hebt die von ''„Ironie und Zynismen durchsetzte Sprache“'' hervor, die an Alltagssprache erinnere, aber ''„eine ganz und gar künstliche und kunstvolle“'' sei, ein artifizielles Spiel mit Worten<ref name="Werner38">Werner: S.38</ref> Meikle resümiert: ''„Das Messer im Wasser ist handwerklich hervorragend gemacht, mit so viel Liebe zum Detail, wie man sie im Film nur zeigen kann. Der Film bleibt so lebendig […] in Erinnerung, als habe man an Andrzejs und Krystynas Ausflug auf einer intimeren Ebene teilgenommen als auf der des reinen Zuschauers“''.<ref name="Meikle62">Meikle: S.62</ref>
Das [[Lexikon des internationalen Films]] urteilt, der Film sei ''„eine erste Stilprobe Polanskis, die zwischen psychologischem Ernst und leiser Ironie schwankt, aber bereits enormes Talent verrät“.''<ref>[http://www.filmevona-z.de/filmsuche.cfm?wert=11526&sucheNach=titel Kritik des Lexikons des Films auf den Seiten von filmevona-z.de]</ref>


==Filmanalyse==
==Filmanalyse==
===Inszenierung===
===Inszenierung===
====Visueller Stil====
====Visueller Stil====
Trotz seines vorangegangenen Aufenthalts in Paris mit der in dieser Zeit aufblühenden [[Nouvelle Vague]] macht sich Polanski deren Stilpluralismus und Eklektizismus nicht zu eigen. Thompson und Bordwell stellen fest: ''„Polanski vermeidet die technische Innovation des neuen europäischen Kinos und verlässt sich […] auf lebendige Aufnahmen mit hoher [[Tiefenschärfe]], durch die die Figuren in spannungsgeladener Konfrontation bleiben.“''<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S.461</ref> In ''„strenger [[Orson Welles|Wellesscher]] Tiefe“'', erinnernd an Filme wie ''[[Citizen Kane]]'' oder ''[[Der Glanz des Hauses Amberson]]'', staffelt Polanski seine Figuren tief in den Raum der [[Mise-en-scène]], wobei sich oft eine der Figuren im Bildvordergrund nahe an der Kamera befindet, während durch den Einsatz von [[Weitwinkelobjektiv]]en auch die Figuren im Bildhintergrund nicht an Tiefenschärfe verlieren. Der Effekt dieses ''„rituellen Gebrauchs der Schärfentiefe“'' ist, dass der Zuschauer seine neutrale Beobachterposition verlässt, um die Handlung vom Standpunkt des nahe an der Kamera befindlichen Protagonisten aus wahrzunehmen. Dadurch, dass die Vordergrundpersonen ständig wechseln, wird jedoch nicht auf den Blickwinkel einer einzelnen Person fokussiert, sondern Polanski bietet den Identifikationsmöglichkeiten des Zuschauers eine breite Basis, indem er den Filmblick nicht auf einen einzelnen Protagonisten hin subjektiviert.<ref name="Meikle54">Meikle: S.54</ref> Auch durch die [[Cadrage (Film)|Cadrage]] verdeutlicht der Regisseur die Dynamik der Dreiecksgeschichte: Die, so Butler, ''„Zwei-drinnen-einer-draußen-Situation“''<ref name="Butler47">Butler: S.47</ref> wird filmisch etwa so umgesetzt, dass oft einer der Charaktere in der Distanz gezeigt wird, während die anderen beiden ihn in [[Einstellungsgröße|Großaufnahme]] am rechten und linken Bildrand umrahmen.
Trotz seines vorangegangenen Aufenthalts in Paris mit der in dieser Zeit aufblühenden [[Nouvelle Vague]] macht sich Polanski deren Stilpluralismus und Eklektizismus nicht zu eigen. Thompson und Bordwell stellen fest: ''„Polanski vermeidet die technische Innovation des neuen europäischen Kinos und verlässt sich […] auf lebendige Aufnahmen mit hoher Tiefenschärfe, durch die die Figuren in spannungsgeladener Konfrontation bleiben.“''<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S.461</ref> In ''„strenger [[Orson Welles|Wellesscher]] Tiefe“'', erinnernd an Filme wie ''[[Citizen Kane]]'' oder ''[[Der Glanz des Hauses Amberson]]'', staffelt Polanski seine Figuren tief in den Raum der [[Mise-en-scène]], wobei sich oft eine der Figuren im Bildvordergrund nahe an der Kamera befindet, während durch den Einsatz von [[Weitwinkelobjektiv]]en auch die Figuren im Bildhintergrund nicht an verlieren. Der Effekt dieses ''„rituellen Gebrauchs der Schärfentiefe“'' ist, dass der Zuschauer seine neutrale Beobachterposition verlässt, um die Handlung vom Standpunkt des nahe an der Kamera befindlichen Protagonisten aus wahrzunehmen. Dadurch, dass die Vordergrundpersonen ständig wechseln, wird jedoch nicht auf den Blickwinkel einer einzelnen Person fokussiert, sondern Polanski bietet den Identifikationsmöglichkeiten des Zuschauers eine breite Basis, indem er den Filmblick nicht auf einen einzelnen Protagonisten hin subjektiviert.<ref name="Meikle54">Meikle: S.54</ref>


Auch durch die [[Cadrage (Film)|Cadrage]] verdeutlicht der Regisseur die Dynamik der Dreiecksgeschichte: Die, so Butler, ''„Zwei-drinnen-einer-draußen-Situation“''<ref name="Butler47">Butler: S.47</ref> wird filmisch etwa so umgesetzt, dass oft einer der Charaktere in der Distanz gezeigt wird, während die anderen beiden ihn in [[Einstellungsgröße|Großaufnahme]] am rechten und linken Bildrand umrahmen. Die Figuren bilden somit szenische Dreieckssituationen, wie sie auch in ''Citizen Kane'' und in [[Laurence Olivier]]s ''[[Hamlet (1948)|Hamlet]]'', einem erklärten Lieblingsfilm Polanskis, zu finden sind. Sie dienen laut Orr dazu, ''„ein gewisses Gefühl der Unsicherheit un des Misstrauens zwischen den Figuren zu schaffen.“''<ref>John Orr: ''Polanski: The Art of Perceiving'' in: Orr/Ostrowska: S.8</ref>
Allgemein gelobt wird [[Jerzy Lipman|Lipmans]] Kameraarbeit, die, wie Baer anmerkt, den Gegensatz ''„zwischen der stillen Weite der schönen Landschaft“'' und der ''„zur Aggressivität führende Enge des Bootes“''<ref name="Koebner547">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S.547</ref> herausarbeitet. In den Außenaufnahmen liefert Lipman ''„großartige, silbrige Bilder“'', wie Feeney anmerkt<ref name="Feeney35">Feeney: S.35</ref>, die ''„das herrliche Spiel von Wasser und Himmel“'' bewusstmachen.<ref name="Butler43">Butler: S.43</ref> Im Kontrast dazu rufen die Aufnahmen im Inneren des Bootes den Eindruck ''„eines engen Gefängnisses in freier Natur“'', eines ''„perfekten ‚lieu clos‘ [[Jean-Paul Sartre|Sartrescher]] Provenienz“'' hervor<ref name="Werner45">Werner: S.45</ref>; abgebildet werde, so Feeney, ''„die bildliche Eleganz einer psychologische Dimension“''.<ref name="Feeney35">Feeney: S.35</ref>

Allgemein gelobt wird [[Jerzy Lipman|Lipmans]] Kameraarbeit, die, wie Baer anmerkt, den Gegensatz ''„zwischen der stillen Weite der schönen Landschaft“'' und der ''„zur Aggressivität führende Enge des Bootes“''<ref name="Koebner547">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S.547</ref> herausarbeitet. In den Außenaufnahmen liefert Lipman ''„großartige, silbrige Bilder“'', wie Feeney anmerkt<ref name="Feeney35">Feeney: S.35</ref>, die ''„das herrliche Spiel von Wasser und Himmel“'' bewusstmachen.<ref name="Butler43">Butler: S.43</ref> Im Kontrast dazu rufen die Aufnahmen im Inneren des Bootes den Eindruck ''„eines engen Gefängnisses in freier Natur“'', eines ''„perfekten ‚lieu clos‘ [[Jean-Paul Sartre|Sartrescher]] Provenienz“'' hervor<ref name="Werner45">Werner: S.45</ref>; abgebildet werde, so Feeney, ''„die bildliche Eleganz einer psychologische Dimension“''.<ref name="Feeney35">Feeney: S.35</ref>


====Dramaturgie====
====Dramaturgie====
Kennzeichnend für ''Das Messer im Wasser'' ist ein dramaturgischer Minimalismus, eine Reduzierung auf drei Personen, einen festen Schauplatz, karge Dialoge und den Zeitrahmen von exakt 24 Stunden. Butler führt dazu aus: ''„Der Film beginnt, wie er endet, auf einer langen, grauen, langweiligen Straße; ein Kommentar zum langen, grauen und langweiligen Leben des Paares, das sie entlangfährt […] Die ganze Eröffnungssequenz ist kennzeichnend für die enggeknüpfte […] [[Ellipse (Dramaturgie)|elliptische]] Qualität dessen, was folgt: ein Minimum an Dialog, ein Minimum an äußerer Handlung, eine strenge Beschränkung auf Charaktere und Setting.“''<ref name="Butler35">Butler: S.35</ref> Polanksi führte 1966 gegenüber [[Les Cahiers du cinéma]] aus, wie er diesen karg-realistischen Ansatz dramaturgisch erweiterte: ''„Was ich mag, ist das extrem realistische Setting, in dem sich jedoch etwas befindet, was mit der Realität nicht vereinbar erscheint. […] In Das Messer im Wasser basiert alles auf Zweideutigkeiten, auf kleinen ironischen Einsprengseln, auf einer Art Zynismus zwischen den Zeilen“''.<ref name="Meikle51Z">zitiert in: Meikle: S.51</ref>
Kennzeichnend für ''Das Messer im Wasser'' ist ein dramaturgischer Minimalismus, eine Reduzierung auf drei Personen, einen festen Schauplatz, karge Dialoge und den Zeitrahmen von exakt 24 Stunden. Butler führt dazu aus: ''„Der Film beginnt, wie er endet, auf einer langen, grauen, langweiligen Straße; ein Kommentar zum langen, grauen und langweiligen Leben des Paares, das sie entlangfährt […] Die ganze Eröffnungssequenz ist kennzeichnend für die enggeknüpfte […] [[Ellipse (Dramaturgie)|elliptische]] Qualität dessen, was folgt: ein Minimum an Dialog, ein Minimum an äußerer Handlung, eine strenge Beschränkung auf Charaktere und Setting.“''<ref name="Butler35">Butler: S.35</ref> Polanksi führte 1966 gegenüber [[Les Cahiers du cinéma]] aus, wie er diesen karg-realistischen Ansatz dramaturgisch erweiterte: ''„Was ich mag, ist das extrem realistische Setting, in dem sich jedoch etwas befindet, was mit der Realität nicht vereinbar erscheint. […] In Das Messer im Wasser basiert alles auf Zweideutigkeiten, auf kleinen ironischen Einsprengseln, auf einer Art Zynismus zwischen den Zeilen“''.<ref name="Meikle51Z">zitiert in: Meikle: S.51</ref>


Das Ende des Films lässt für den Zuschauer einen möglichen Handlungsfortgang offen. Es wurde, wie Thompson und Bordwell konstatieren, zum ''„Kennzeichen für das Fehlen von Handlungsabschlüssen im Kino der 1960er“''.<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S.461</ref> Butler fügt hinzu, der Film ende ''„wie [[Ekel (Film)|Ekel]], [[Wenn Katelbach kommt...]] und [[Rosemaries Baby]] mit einem [[Fragezeichen]].“''<ref name="Butler43">Butler: S.43</ref>
Das Ende des Films lässt für den Zuschauer einen möglichen Handlungsfortgang offen. Es wurde, wie Thompson und Bordwell konstatieren, zum ''„Kennzeichen für das Fehlen von Handlungsabschlüssen im Kino der 1960er“''.<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S.461</ref> Butler fügt hinzu, der Film ende ''„wie [[Ekel (Film)|Ekel]], [[Wenn Katelbach kommt...]] und [[Rosemaries Baby]] mit einem [[Fragezeichen]].“''<ref name="Butler43">Butler: S.43</ref>
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===Themen und Motive===
===Themen und Motive===
====Gesellschaftskritik====
====Gesellschaftskritik====
Polanski spricht deutlich aus, dass ''Das Messer im Wasser'' unter anderem auch eine ''„Attacke auf Privilegien“'' ist.<ref name="Polanski153">Polanski: S.153</ref> Andrzej schmückt sich mit den, so Baer, ''„Errungenschaften eines Anpassers“''.<ref name="Koebner547">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S.547</ref> Diese materiellen Dinge, die Andrzej durch seinen gesellschaftlichen Status erlangt hat – sein Auto, die Jacht, seine Pfeife, seinen Kompass, seinen Patent-Flaschenöffner und anderes mehr – stehen im krassen Gegensatz zum Eigentum des Jungen, in dessen Seesack sich sein Messer als wichtigster Besitz befindet.<ref name="Butler36">Butler: S.36</ref> Thomspon und Bordwell führen zur politischen Motivation des Films aus: ''„Das Messer im Wasser könnte als politisch genau bezeichnet werden, indem er die ‚rote [[Bourgeoisie]]‘ angereift, die in westlichem Luxus lebt. Aber der junge Mann kann wohl kaum ein positiv besetzter Held sein, da er bestenfalls naiv-verwirrt und schlimmstenfalls irgendwie zynisch ist“''.<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S.461</ref> Der Junge ist somit kein positiver Gegenentwurf zum Spießer Andrzej, sondern ebenfalls nur handlungsohnmächtiger Teil einer Gesellschaft, der es an Gerechtigkeit mangelt. Werner resümiert, für Polanski sei ''„der Nonkonformismus des Jungen eine ebenso sinnlose, hohle Attitüde wie Andrzejs Konformismus“''<ref name="Werner43">Werner: S.43</ref>
Polanski spricht deutlich aus, dass ''Das Messer im Wasser'' unter anderem auch eine ''„Attacke auf Privilegien“'' ist.<ref name="Polanski153">Polanski: S.153</ref> Andrzej schmückt sich mit den, so Baer, ''„Errungenschaften eines Anpassers“''.<ref name="Koebner547">Volker Baer: ''Das Messer im Wasser'' in: Koebner: S.547</ref> Diese materiellen Dinge, die Andrzej durch seinen gesellschaftlichen Status erlangt hat – sein Auto, die Jacht, seine Pfeife, seinen Kompass, seinen Patent-Flaschenöffner und anderes mehr – stehen im krassen Gegensatz zum Eigentum des Jungen, in dessen Seesack sich sein Messer als wichtigster Besitz befindet.<ref name="Butler36">Butler: S.36</ref> Thomspon und Bordwell führen zur politischen Motivation des Films aus: ''„Das Messer im Wasser könnte als politisch genau bezeichnet werden, indem er die ‚rote [[Bourgeoisie]]‘ angereift, die in westlichem Luxus lebt. Aber der junge Mann kann wohl kaum ein positiv besetzter Held sein, da er bestenfalls naiv-verwirrt und schlimmstenfalls irgendwie zynisch ist“''.<ref name="Bordwell461">Thompson/Bordwell: S.461</ref>

Wirkt anfangs das Spiel des Jungen mit seinem Messer wie ein rebellischer Akt gegenüber Andrzej, stellt sich allmählich heraus, dass es, so Bird, lediglich ''„die Konzentrationsübung eines in der Ziellosigkeit des alltäglichen Lebens zerstreuten Geistes“'' ist, der Ausdruck eines ''„jugendlichen [[Nihilismus]]“''.<ref>Bird: S.31</ref> Der Junge ist somit nur anfänglich ein positiver Gegenentwurf zum Spießer Andrzej, aber, wie sich später herausstellt, ebenfalls nur handlungsohnmächtiger Teil einer Gesellschaft, der es an Gerechtigkeit mangelt. Werner resümiert, für Polanski sei ''„der Nonkonformismus des Jungen eine ebenso sinnlose, hohle Attitüde wie Andrzejs Konformismus“''<ref name="Werner43">Werner: S.43</ref> Ostrowska beschreibt die Wirkung der Figur des Jungen auf den Zuschauer so: ''„Nicht nur die Figuren spielen ein Spiel miteinander. Polanski spielt auch mit den Erwartungshaltungen und Mutmaßungen des Zuschauers, wohin die Erzählung führen wird. Ein idealisiertes Bild der Jugend wird später im Film brutal zerstört, aber nicht einfach in sein dämonisches Gegenteil verkehrt, sondern in seiner ganzen Banalität und Flachheit präsentiert, was umso beunruhigender auf den Zuschauer wirkt.“''<ref>Elzbieta Ostrowska: Knife in the Water: Polanski´s Nomadic Discourse Begins in: Orr/Ostrowska: S.73</ref>


Butler konstatiert, der sich herausbildende Gegensatz in ''Das Messer im Wasser'' sei ein von Polanski weitgehend neutral und beobachtend ausgeführter ''„Konflikt zwischen dem […] Alter und der Jugend […], zwischen Konformität und der Weigerung, sich konform zu verhalten, zwischen der Spießigkeit materiellen Erfolgs […] und der Zurückweisung der Standards dieses Erfolgs.“''<ref name="Butler41">Butler: S.41</ref> Die Position von Krystyna ist für Meikle hierbei ''„eine interessante [[Metapher]]“''. Sie stehe im Zentrum dieser Auseinandersetzung in ihrer unnahbaren, [[sphinx]]haften Art ''„für die [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] an sich, dem Flirt mit der rebellischen Jugend nicht abgeneigt, aber letztendlich wieder zum [[Status quo]] zurückkehrend“''.<ref name="Meikle54">Meikle: S.54</ref>
Butler konstatiert, der sich herausbildende Gegensatz in ''Das Messer im Wasser'' sei ein von Polanski weitgehend neutral und beobachtend ausgeführter ''„Konflikt zwischen dem […] Alter und der Jugend […], zwischen Konformität und der Weigerung, sich konform zu verhalten, zwischen der Spießigkeit materiellen Erfolgs […] und der Zurückweisung der Standards dieses Erfolgs.“''<ref name="Butler41">Butler: S.41</ref> Die Position von Krystyna ist für Meikle hierbei ''„eine interessante [[Metapher]]“''. Sie stehe im Zentrum dieser Auseinandersetzung in ihrer unnahbaren, [[sphinx]]haften Art ''„für die [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] an sich, dem Flirt mit der rebellischen Jugend nicht abgeneigt, aber letztendlich wieder zum [[Status quo]] zurückkehrend“''.<ref name="Meikle54">Meikle: S.54</ref>


====Psychologie der Beziehungen====
====Psychologie der Beziehungen====
Nicht nur der gesellschaftliche Konflikt, sondern auch die konflikthaften persönlichen Beziehungen des Trios werden von Polanski thematisiert. Während Andrzej sich in einer sicheren Machtposition glaubt, die er zu bewahren versucht, hat ihn seine Frau in seiner, so Baer, ''„anmaßenden Selbstüberschätzung“''<ref name="Koebner547">Volker Baer: Das Messer im Wasser in: Koebner: S.547</ref> längst durchschaut. Polanski bedient sich der Figur des Jungen, um den Ehekonflikt der beiden spürbar zu machen. Er erläutert: ''„Die dritte Person dient nur als Vorwand, nicht nur für den Drehbuchautor, sondern auch für das Paar in seiner Ehe. […]. Der Konflikt betrifft das Paar“''.<ref name="Butler40Z">zitiert in: Butler: S.40</ref>
Nicht nur der gesellschaftliche Konflikt, sondern auch die konflikthaften persönlichen Beziehungen des Trios werden von Polanski thematisiert. Während Andrzej sich in einer sicheren Machtposition glaubt, die er zu bewahren versucht, hat ihn seine Frau in seiner, so Baer, ''„anmaßenden Selbstüberschätzung“''<ref name="Koebner547">Volker Baer: Das Messer im Wasser in: Koebner: S.547</ref> längst durchschaut. Polanski bedient sich der Figur des Jungen, um den Ehekonflikt der beiden spürbar zu machen. Er erläutert: ''„Die dritte Person dient nur als Vorwand, nicht nur für den Drehbuchautor, sondern auch für das Paar in seiner Ehe. […]. Der Konflikt betrifft das Paar“''.<ref name="Butler40Z">zitiert in: Butler: S.40</ref>


Doch auch die Beziehung zwischen Andrzej und dem Jungen ist betrachtenswert: Krystyna erkennt, dass der junge Mann ''„ein – wenngleich noch unausgefülltes – Abbild ihres Mannes“'' ist, wie Baer erläutert.<ref name="Koebner547">Volker Baer: Das Messer im Wasser in: Koebner: S.547</ref> Jeder der beiden spiegle sich im Bild des anderen. Werner stellt fest: ''„Andrzej verkörpert die Zukunft des Jungen, wie der Junge die Vergangenheit Andrzejs verkörpert“''.<ref name="Werner42">Werner: S.42</ref> Daher beinhaltet gemäß Butler die Beziehung der beiden Männer ''„sich bekriegende Aspekte von Eifersucht, Bewunderung, Angst, Verachtung und ein eindeutiges, aber nicht eingestandenes Element aufrichtiger Zuneigung, eher väterlich als homosexuell.“''<ref name="Butler41">Butler: S.41</ref>
Doch auch die Beziehung zwischen Andrzej und dem Jungen ist betrachtenswert: Krystyna erkennt, dass der junge Mann ''„ein – wenngleich noch unausgefülltes – Abbild ihres Mannes“'' ist, wie Baer erläutert.<ref name="Koebner547">Volker Baer: Das Messer im Wasser in: Koebner: S.547</ref> Jeder der beiden spiegle sich im Bild des anderen. Werner stellt fest: ''„Andrzej verkörpert die Zukunft des Jungen, wie der Junge die Vergangenheit Andrzejs verkörpert“''.<ref name="Werner42">Werner: S.42</ref> Daher beinhaltet gemäß Butler die Beziehung der beiden Männer ''„sich bekriegende Aspekte von Eifersucht, Bewunderung, Angst, Verachtung und ein eindeutiges, aber nicht eingestandenes Element aufrichtiger Zuneigung, eher väterlich als homosexuell.“''<ref name="Butler41">Butler: S.41</ref>
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== Literatur ==
== Literatur ==
*Daniel Bird: ''Roman Polanski.'' Pocket Essentials Film. Harpenden 2002. ISBN 1-903047-89-7
*Ivan Butler: ''The Cinema of Roman Polanski'' The International Film Guide Series Barnes & Co New York, Zwemmer Ltd. London. 1970. SBN 302-02061-6 (UK)
*Ivan Butler: ''The Cinema of Roman Polanski'' The International Film Guide Series Barnes & Co New York, Zwemmer Ltd. London. 1970. SBN 302-02061-6 (UK)
*Paul Cronin (Hrsg.): ''Roman Polanski - Interviews.'' University Press of Mississippi. Jackson 2005. ISBN 1-57806-800-2
*F. X. Feeney/Paul Duncan (Hrsg.): ''Roman Polanski.'' TASCHEN Verlag Köln 2005. ISBN 3-8228-2541-7
*F. X. Feeney/Paul Duncan (Hrsg.): ''Roman Polanski.'' TASCHEN Verlag Köln 2005. ISBN 3-8228-2541-7
*Thomas Koebner (Hrsg.): ''Filmklassiker Band 2 1946-1962.'' Philipp Reclam jun. Stuttgart 5. Auflage 2006. ISBN 3-15-030033-9
*Thomas Koebner (Hrsg.): ''Filmklassiker Band 2 1946-1962.'' Philipp Reclam jun. Stuttgart 5. Auflage 2006. ISBN 3-15-030033-9
*Marion Kroner: ''Roman Polanski – Seine Filme und seine Welt.'' Programm Roloff & Seeßlen Filmstudien Nr.&nbsp;6. B.&nbsp;Roloff Verlag Schondorf 1981. ISBN 3-88144-219-7
*Marion Kroner: ''Roman Polanski – Seine Filme und seine Welt.'' Programm Roloff & Seeßlen Filmstudien Nr.&nbsp;6. B.&nbsp;Roloff Verlag Schondorf 1981. ISBN 3-88144-219-7
*Denis Meikle: ''Roman Polanski – Odd Man Out.'' Reynolds & Hearn Ltd. London 2006. ISBN 1 905287 21 6
*Denis Meikle: ''Roman Polanski – Odd Man Out.'' Reynolds & Hearn Ltd. London 2006. ISBN 1 905287 21 6
*John Orr & Elzbieta Ostrowska (Hrsg): ''The Cinema of Roman Polanski - Dark Spaces of the World.'' Wallflower Press. London & New York 2006. ISBN 1-904764-75-4
*Roman Polanski: ''Roman Polanski'' Heyne Verlag 1985. ISBN 3-453-02203-3
*Roman Polanski: ''Roman Polanski'' Heyne Verlag 1985. ISBN 3-453-02203-3
*Kristin Thompson, David Bordwell: ''Film History – An Introduction''. Second Edition. University of Wisconsin-Madison 2003. ISBN 0-07-038429-0
*Kristin Thompson, David Bordwell: ''Film History – An Introduction''. Second Edition. University of Wisconsin-Madison 2003. ISBN 0-07-038429-0

Version vom 18. August 2007, 14:18 Uhr

Film
Titel Das Messer im Wasser
Originaltitel Nóż w wodzie
Produktionsland Polen
Originalsprache Polnisch
Erscheinungsjahre 1962
Länge 90 Minuten
Stab
Regie Roman Polanski
Drehbuch Roman Polanski, Jakub Goldberg, Jerzy Skolimowski
Produktion Stanislaw Zylewicz
Musik Krzysztof Komeda
Kamera Jerzy Lipman
Schnitt Halina Prugar-Ketling
Besetzung

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Das Messer im Wasser (Verleihtitel in der DDR: Messer im Wasser) ist ein polnischer Spielfilm von Roman Polański aus dem Jahre 1962. In diesem Beziehungsdrama mit Elementen des Psychothrillers wird der Segelausflug eines Paares durch das Auftauchen eines jungen Herumtreibers zur Zerreißprobe für die Beziehung der beiden. Das Messer im Wasser war Polanskis erster abendfüllender Spielfilm und gilt als Startpunkt seiner internationalen Karriere. Der Film gewann unter anderem den Kritikerpreis bei den Filmfestspielen von Venedig und wurde für einen Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert.

Handlung

Segelboote auf einem Masurischen See. „Immer wieder wird die menschenleere Landschaft der Masurischen Seenplatte […] durch Aufnahmen aus einer weiten Perspektive in das Geschehen miteinbezogen“, so Kroner[1]

Andrzej, ein arrivierter Sportjournalist, und seine junge Frau Krystyna fahren mit dem Auto aufs Land, um ein Wochenende auf ihrem Segelboot an einem See der Masurischen Seenplatte zu verbringen. Sie nehmen unterwegs einen jungen Anhalter mit und laden ihn ein, sie auf ihrem Ausflug zu begleiten. Im Laufe des Tages entwickeln sich verbale Machtkämpfe zwischen dem bürgerlichen Andrzej und dem rebellischen, freiheitsliebenden jungen Mann. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder das bedrohlich wirkende Messer, mit dem der Junge spielt. Die beiden Männer, in Konkurrenz um die Gunst von Krystyna, messen ihre Kräfte auf verschiedene Arten, doch keiner kann einen klaren Sieg erlangen.

Nach einer Nacht vor Anker ertappt Andrzej seine Frau und den Jungen früh morgens bei einem vertraulichen Gespräch an Deck. Bei einem Handgemenge zwischen den Männern geht erst das wohlgehütete Messer des jungen Mannes über Bord, dann der Junge selbst. Da er zuvor angegeben hatte, nicht schwimmen zu können, befürchtet das Paar, er sei ertrunken. Sie tauchen nach ihm, und Andrzej schwimmt ans Ufer, angeblich um die Polizei zu informieren. Der junge Mann ist jedoch nicht ertrunken, sondern klammert sich unbemerkt an einer Boje fest. Sobald er feststellt, dass Krystyna allein an Bord ist, kehrt er zurück auf das Boot. Er und Krystyna schlafen miteinander. Der Junge verlässt das Boot, bevor Krystyna es an Land bringt, wo Andrzej auf sie wartet. Andrzej hat gezögert, die Polizei zu informieren. Krystyna eröffnet ihrem Mann, dass der Junge nicht tot ist und gesteht den Ehebruch, doch Andrzej gibt vor, ihr nicht zu glauben. Das Paar fährt wieder ab. An einer Weggabelung, deren eine Richtung nach Hause, die andere zur Polizei führt, stoppen sie.

Entstehungsgeschichte

Drehbuch und Vorproduktion

Polanski hatte das Szenario zu Das Messer im Wasser bereits im Rahmen seiner Abschlussarbeit an der Filmhochschule Lodz 1959 zusammen mit Jakub Goldberg und Jerzy Skolimowski entworfen.[2] Orr vewrmutet, dass Orson Welles´ Die Lady von Shanghai (1946) und René Cléments Plein Soleil (1960) während des Entstehungsprozesses als Inspiration für die Dyamik der Dreiecksgeschichte und für das Setting gedient haben könnten[3] Polanski berichtete 1969 über die Entstehung seiner Idee zu Das Messer im Wasser: „Meine ersten Gedanken zu diesem Film, bevor es überhaupt eine Geschichte dazu gab, bezogen sich auf die Landschaft, insbesondere auf das Wasser in dieser Gegend Polens, wo diese ganzen Seen sind.“[4]

1961 signalisierte Jerzy Bossak, der künstlerische Leiter der staatlich finanzierten Filmgesellschaft Produktionsgruppe Kamera, dass das politische Klima in Polen nun geeignet sei, das Projekt zu verwirklichen. Der zum Dreh seiner experimentellen Kurzfilme in Paris weilende Polanski reiste nach Polen und bekam durch ein Komitee des Kultusministeriums die Erlaubnis, innerhalb von zwei Wochen ein Drehbuch zur Genehmigung vorzulegen. Zusammen mit Skolimowski erarbeitete Polanski innerhalb kürzester Zeit ein drehfertiges Skript, wobei Solimowski, gemäß Feeney, „der ideale Partner für die Findung einer präzisen, minimalen Sprache“[5] für die Ausarbeitung der Dialoge zuständig war. Nachdem Polanski den Vorwurf des Komitees der „gesellschaftlichen Irrelevanz“ des Drehbuchs durch das Einfügen eines „sozial bewussten Dialogs“, den er ironischerweise in die Liebesszene von Krystyna und dem Jungen einbaute, entkräftet hatte, bekam das Projekt grünes Licht[6].

Polanski wollte ursprünglich den Jungen selbst spielen, doch Freunde rieten ihm mit der Begründung davon ab, es würde zu eitel aussehen, wenn Polanski Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller in Personalunion wäre.[7] Seine Darsteller fand Polanski in dem routinierten Film- und Bühnendarsteller Leon Niemczyk und dem noch wenig erfahrenen Schauspielschüler Zygmunt Malanowicz. Jolanta Umecka war eine Musikstudentin gänzlich ohne Schauspielerfahrung, die Polanski in einem Schwimmbad entdeckt hatte. Sie verkörperte für Polanski den idealen Kontrast zwischen Unscheinbarkeit in bekleidetem Zustand und einer reizvollen sexuellen Ausstrahlung, sobald man sie weniger verhüllt in Badebekleidung sah.[8]

Produktion und Nachproduktion

Die Dreharbeiten fanden vom Sommer bis zum Herbst 1961 in Masuren statt. Das Filmteam wohnte gemeinsam auf einem Hausboot.[7] Polanski nennt Das Messer im Wasser einen „teuflisch schwierig zu realisierenden Film“.[9] Da auf einem echten Segelboot gedreht wurde, das kaum genug Platz für die drei Darsteller bot, musste das Filmteam über die Reling gelehnt und mit Gurten gesichert arbeiten, wobei ein Generatorboot für die Versorgung des technischen Geräts immer im gleichen Abstand neben dem Segelboot manövrieren musste. Die sich schnell ändernden Licht- und Schattenverhältnisse sowie der sich rasch verändernde Wolkenhimmel ließen die Befürchtung aufkommen, später beim Filmschnitt erhebliche Schwierigkeiten mit Anschlussfehlern zu haben[9]

Auch die Arbeit mit den Schauspielern gestaltete sich schwierig. Während Niemczyk als Profi einfach zu führen war, musste Polanski für Malanowicz atmosphärische Situationen aufbauen, in die sich dieser hineinsteigern konnte, um überzeugende Leistungen abzuliefern. Am schwierigsten war der Umgang mit Umecka. Die sich überwiegend passiv verhaltende junge Frau wurde für Polanski und sein Team zur „Manifestation einer wahren Ausgeburt emotionaler Trägheit“[8] und konnte nur mit massiven Mitteln wie verbalen Provokationen oder dem Abfeuern einer Signalpistole dazu angeregt werden, schauspielerische Reaktion zu zeigen. Polanski kolportiert außerdem, sie habe während der Dreharbeiten massiv an Gewicht zugelegt und einer heimlichen Fresssucht gefrönt.[8]

Auch der Besuch eines Reporters der Filmzeitschrift Ekran am Set bereitete dem Projekt Schwierigkeiten. Er prangerte in seinem Blatt das angeblich extravagante Leben des Filmteams und die in seinen Augen verschwenderische Ausstattung des Films an. Polanski sah sich gezwungen, statt eines Mercedes nun einen Peugeot als Auto des Paares einzusetzen, und musste etliche Szenen nachdrehen.[10] Weitere Schicksalsschläge häuften sich für den Regisseur: bei einem Autounfall trug er Verletzungen davon, die ihn für drei Wochen ins Krankenhaus brachten. Seine Frau Barbara Kwiatkowska eröffnete ihm telefonisch aus Rom das Ende ihrer Ehe. Zudem starb Polanskis Freund und Mentor Andrzej Munk bei einem Autounfall.[11]

Nach zehn Wochen waren die Drehabreiten beendet. Es stellte sich heraus, dass der aufgenommene Originalton unbrauchbar war. Nur Niemczyk synchronisierte seine Figur selbst nach, während Umeckas Rolle von einer professionellen Schauspielerin nachgesprochen wurde. Den jungen Mann sprach Polanski selbst ein.[11]

Rezeption

Veröffentlichung und zeitgenössische Kritik

Bei einer privaten Vorführung des fertig geschnittenen Films lehnte PZPR-Parteichef Władysław Gomułka ihn als „gesellschaftlichen Zündstoff“ ab. Der Film sei „weder typisch noch relevant für Polen als Ganzes“.[12] Die Produktionsgesellschaft sah sich gezwungen, den Film nicht mit einer Galapremiere zu eröffnen, sondern lediglich in einigen kleinen Kinos zu starten. Die Filmpremiere war am 9. März 1962. Eine kommunistische Jugendzeitschrift kam zu dem vernichtenden Fazit: „Nichts rührt besonders an. Der Regisseur weiß über den zeitgenössischen Menschen nichts von Interesse auszusagen, und wir identifizieren uns mit keiner seiner Figuren.“[13] Polanski kehrte nach Frankreich zurück. Der Filmunternehmer Pierre Braunberger hatte inzwischen die internationalen Veröffentlichungsrechte für 10.000 Dollar von Film Polski erworben. In der Bundesrepublik startete der Film am 18. Juni 1963, wogegen er in der DDR erst am 26. Februar 1965 in die Kinos kam. Bei seiner Veröffentlichung in westlichen Ländern wurde der Film zum Überraschungserfolg und rief wohlwollende bis begeisterte Kritiken hervor. Felix Barker von der Londoner Evening News etwa schrieb, Das Messer im Wasser sei „ein Film vollkommener Brillanz“[14]. Arthur Dent vom Daily Telegraph urteilte, der Film sei „mit blendender Intimität inszeniert und gespielt“.[14] Dilys Powell von der Sunday Times resümierte: „Der Regisseur ist Roman Polanski, ein Name, der uns wohl sehr vertraut werden wird, wenn man in Betracht zieht, was er mit seinem ersten Film erreicht hat“.[14] Peter John Dyer von Sight & Sound zog im Winter 1962 große Namen zum Vergleich heran: „Das Schlussbild […] impliziert eine Art erstarrter Mutlosigkeit, für die man normalerweise einen Bergman oder Antonioni braucht, um sie filmisch zu erreichen“.[14]

Auszeichnungen

Das Messer im Wasser gewann 1962 den FIPRESCI-Preis bei den Filmfestspielen in Venedig Bei der Oscarverleihung 1964 war er als bester fremdsprachiger Film nominiert, verlor jedoch gegen Fellinis . Bei den BAFTA-Awards 1964 war er für den besten Film nominiert.

Nachwirkung

Datei:PolanskiIFFKV.jpg
Roman Polański im Jahr 2004, 43 Jahre nach den Dreharbeiten zu Das Messer im Wasser

Polanski erregte mit seinem Erstlingswerk sowohl in Europa als auch in den USA Aufmerksamkeit, die etwa ein Szenenbild aus Das Messer im Wasser auf das Cover des Time Magazine brachte. Der Film war für ihn der Startpunkt seiner internationalen Karriere und zeichnete bereits die Themen seiner großen Erfolge vor: die psychologisch genaue Zeichnung der Figuren, die Untersuchung von gesellschaftlichen Abhängigkeiten und von gegenseitigen Anhängigkeiten in Beziehungen. Diese, so Heer, „psychologische Vivisektion[15] zieht sich durch weite Teile seines Werkes. In Das Messer im Wasser etabliert Polanski den Protoyp einer psychologischen Dreiecksgeschichte, die er später immer wieder variiert. Mark Cousins stellt fest, Das Messer im Wasser, Wenn Katelbach kommt..., Bitter Moon und Der Tod und das Mädchen seien „alles Versionen der selben Geschichte, nämlich der eines Paares, das sich durch die Anwesenheit einer dritten Person, die ihm zu nahe kommt, unwohl fühlt.“[16]

Für den polnischen Film insgesamt war Das Messer im Wasser zusammen mit Filmen wie Kawalerowicz Mutter Johanna von den Engeln (1961) oder Skolimowskis Walkover (1965) Teil eines Wendepunkts weg von der oft monumentalen Aufarbeitung der eigenen Geschichte hin zu privateren und intimeren Themen.[17] Andrzej Wajda bestätigt: „Polanskis Das Messer im Wasser war der Beginn des neuen polnischen Kinos“.[18]

Filmwissenschaftliche Beurteilung

Für Feeney ist Das Messer im Wasser ein „straffer, intimer und handlungsreicher Thriller“[5], für Thompson und Bordwell ein „intimes Spannungsdrama“[19]. Baer nennt den Film „ein Dreieck von geradezu klassischer Konstruktion“. Polanski sei „ein unbestechlicher Realist, der mit sparsamsten Mitteln die einzelnen Gestalten psychologisch zu interpretieren versteht.“[2]. Gregor und Patalas bescheinigen dem Film „den Stil eines psychologischen Kammerspiels.“[20] Butler hebt auf die existentialistischen Qualitäten des Films ab und konstatiert: „Polanski führt uns in eine traurige, graue Welt, wo alle drei Personen in gleicher Weise in der Falle sitzen.“[21]

Werner lobt die Geschichte „von verblüffender Einfachheit“[22] und hebt die von „Ironie und Zynismen durchsetzte Sprache“ hervor, die an Alltagssprache erinnere, aber „eine ganz und gar künstliche und kunstvolle“ sei, ein artifizielles Spiel mit Worten[23] Meikle resümiert: „Das Messer im Wasser ist handwerklich hervorragend gemacht, mit so viel Liebe zum Detail, wie man sie im Film nur zeigen kann. Der Film bleibt so lebendig […] in Erinnerung, als habe man an Andrzejs und Krystynas Ausflug auf einer intimeren Ebene teilgenommen als auf der des reinen Zuschauers“.[24]

Das Lexikon des internationalen Films urteilt, der Film sei „eine erste Stilprobe Polanskis, die zwischen psychologischem Ernst und leiser Ironie schwankt, aber bereits enormes Talent verrät“.[25] Bird nennt Das Messer im Wasser „ein herausragendes Debüt“ und „einzigartig in Polanskis Filmographie“, denn der Film beinhalte ein soziales Engagement, das zwar typisch für Skolimowskis kommende Filme sei, aber in Polanskis weiteren Filmen grundsätzlich nicht mehr vorkommen würde.[26]

Filmanalyse

Inszenierung

Visueller Stil

Trotz seines vorangegangenen Aufenthalts in Paris mit der in dieser Zeit aufblühenden Nouvelle Vague macht sich Polanski deren Stilpluralismus und Eklektizismus nicht zu eigen. Thompson und Bordwell stellen fest: „Polanski vermeidet die technische Innovation des neuen europäischen Kinos und verlässt sich […] auf lebendige Aufnahmen mit hoher Tiefenschärfe, durch die die Figuren in spannungsgeladener Konfrontation bleiben.“[19] In „strenger Wellesscher Tiefe“, erinnernd an Filme wie Citizen Kane oder Der Glanz des Hauses Amberson, staffelt Polanski seine Figuren tief in den Raum der Mise-en-scène, wobei sich oft eine der Figuren im Bildvordergrund nahe an der Kamera befindet, während durch den Einsatz von Weitwinkelobjektiven auch die Figuren im Bildhintergrund nicht an Schärfentiefe verlieren. Der Effekt dieses „rituellen Gebrauchs der Schärfentiefe“ ist, dass der Zuschauer seine neutrale Beobachterposition verlässt, um die Handlung vom Standpunkt des nahe an der Kamera befindlichen Protagonisten aus wahrzunehmen. Dadurch, dass die Vordergrundpersonen ständig wechseln, wird jedoch nicht auf den Blickwinkel einer einzelnen Person fokussiert, sondern Polanski bietet den Identifikationsmöglichkeiten des Zuschauers eine breite Basis, indem er den Filmblick nicht auf einen einzelnen Protagonisten hin subjektiviert.[27]

Auch durch die Cadrage verdeutlicht der Regisseur die Dynamik der Dreiecksgeschichte: Die, so Butler, „Zwei-drinnen-einer-draußen-Situation“[28] wird filmisch etwa so umgesetzt, dass oft einer der Charaktere in der Distanz gezeigt wird, während die anderen beiden ihn in Großaufnahme am rechten und linken Bildrand umrahmen. Die Figuren bilden somit szenische Dreieckssituationen, wie sie auch in Citizen Kane und in Laurence Oliviers Hamlet, einem erklärten Lieblingsfilm Polanskis, zu finden sind. Sie dienen laut Orr dazu, „ein gewisses Gefühl der Unsicherheit un des Misstrauens zwischen den Figuren zu schaffen.“[29]

Allgemein gelobt wird Lipmans Kameraarbeit, die, wie Baer anmerkt, den Gegensatz „zwischen der stillen Weite der schönen Landschaft“ und der „zur Aggressivität führende Enge des Bootes“[30] herausarbeitet. In den Außenaufnahmen liefert Lipman „großartige, silbrige Bilder“, wie Feeney anmerkt[31], die „das herrliche Spiel von Wasser und Himmel“ bewusstmachen.[21] Im Kontrast dazu rufen die Aufnahmen im Inneren des Bootes den Eindruck „eines engen Gefängnisses in freier Natur“, eines „perfekten ‚lieu clos‘ Sartrescher Provenienz“ hervor[32]; abgebildet werde, so Feeney, „die bildliche Eleganz einer psychologische Dimension“.[31] Polanksi und sein lichtsetzender Kameramann Lipman sorgen gerade in den Szenen unter Deck laut Goscilo für „rein visuelle Auflösungen cinematischer Problemstellungen, eine Umwandlung klaustrophobischer Settings in psychologischen Raum“[33]

Dramaturgie

Polanski erläutert zu seinen Zielsetzungen der Inszenierung, er habe den Film „hochgradig intellektuell, technisch präzise, beinahe formalistisch[34] umsetzen wollen. Kennzeichnend für Das Messer im Wasser ist ein dramaturgischer Minimalismus, eine Reduzierung auf drei Personen, einen festen Schauplatz, karge Dialoge und den Zeitrahmen von exakt 24 Stunden. Butler führt dazu aus: „Der Film beginnt, wie er endet, auf einer langen, grauen, langweiligen Straße; ein Kommentar zum langen, grauen und langweiligen Leben des Paares, das sie entlangfährt […] Die ganze Eröffnungssequenz ist kennzeichnend für die enggeknüpfte […] elliptische Qualität dessen, was folgt: ein Minimum an Dialog, ein Minimum an äußerer Handlung, eine strenge Beschränkung auf Charaktere und Setting.“[35] Polanksi führte 1966 gegenüber Les Cahiers du cinéma aus, wie er diesen karg-realistischen Ansatz dramaturgisch erweiterte: „Was ich mag, ist das extrem realistische Setting, in dem sich jedoch etwas befindet, was mit der Realität nicht vereinbar erscheint. […] In Das Messer im Wasser basiert alles auf Zweideutigkeiten, auf kleinen ironischen Einsprengseln, auf einer Art Zynismus zwischen den Zeilen“.[36] Der Film nutze „eine Urlaubsatmosphäre, getönt mit einer Menge Ironie“[37]

Das Ende des Films lässt für den Zuschauer einen möglichen Handlungsfortgang offen. Es wurde, wie Thompson und Bordwell konstatieren, zum „Kennzeichen für das Fehlen von Handlungsabschlüssen im Kino der 1960er“.[19] Butler fügt hinzu, der Film ende „wie Ekel, Wenn Katelbach kommt... und Rosemaries Baby mit einem Fragezeichen.“[21]

Ton und Musik

Der Ton wird in Das Messer im Wasser meist in Form von natürlich erzeugten Klängen – „langen Momente fast vollständiger Stille, rauschenden Wellen, knackendem Holz, flatternden Segeln“ – laut Butler „unaufdringlich“ eingesetzt, um dem Zweck der jeweiligen Szene zu dienen. Polanski benutze Sound, „um Atmosphäre zu schaffen, Spannung zu erhöhen oder zu brechen, zu schocken oder ein latentes Gefühl der Gewalt hervorzurufen“.[28]

Butler führt weiter aus, Komedas jazziger Soundtrack ergänze „vituos die Kombination natürlicher Klänge, die Polanski so schlau zusammengefügt hat“ und gebe „mit scharfer Zunge Kommentare zur Geschichte ab.“[38] Werner bezeichnet die Filmmusik als „relativ sparsam“, kritisiert jedoch, dass sie an einigen Stellen dazu neige, „die Akzente zwischen kämpferischer Erregung oder harmonischem Segelvergnügen zu deutlich zu setzen“.[39]

Themen und Motive

Gesellschaftskritik

Polanski spricht deutlich aus, dass Das Messer im Wasser unter anderem auch eine „Attacke auf Privilegien“ ist.[40] Andrzej schmückt sich mit den, so Baer, „Errungenschaften eines Anpassers“.[30] Diese materiellen Dinge, die Andrzej durch seinen gesellschaftlichen Status erlangt hat – sein Auto, die Jacht, seine Pfeife, seinen Kompass, seinen Patent-Flaschenöffner und anderes mehr – stehen im krassen Gegensatz zum Eigentum des Jungen, in dessen Seesack sich sein Messer als wichtigster Besitz befindet.[41] Thomspon und Bordwell führen zur politischen Motivation des Films aus: „Das Messer im Wasser könnte als politisch genau bezeichnet werden, indem er die ‚rote Bourgeoisie‘ angereift, die in westlichem Luxus lebt. Aber der junge Mann kann wohl kaum ein positiv besetzter Held sein, da er bestenfalls naiv-verwirrt und schlimmstenfalls irgendwie zynisch ist“.[19]

Wirkt anfangs das Spiel des Jungen mit seinem Messer wie ein rebellischer Akt gegenüber Andrzej, stellt sich allmählich heraus, dass es, so Bird, lediglich „die Konzentrationsübung eines in der Ziellosigkeit des alltäglichen Lebens zerstreuten Geistes“ ist, der Ausdruck eines „jugendlichen Nihilismus.[42] Der Junge ist somit nur anfänglich ein positiver Gegenentwurf zum Spießer Andrzej, aber, wie sich später herausstellt, ebenfalls nur handlungsohnmächtiger Teil einer Gesellschaft, der es an Gerechtigkeit mangelt. Werner resümiert, für Polanski sei „der Nonkonformismus des Jungen eine ebenso sinnlose, hohle Attitüde wie Andrzejs Konformismus“[43] Ostrowska beschreibt die Wirkung der Figur des Jungen auf den Zuschauer so: „Nicht nur die Figuren spielen ein Spiel miteinander. Polanski spielt auch mit den Erwartungshaltungen und Mutmaßungen des Zuschauers, wohin die Erzählung führen wird. Ein idealisiertes Bild der Jugend wird später im Film brutal zerstört, aber nicht einfach in sein dämonisches Gegenteil verkehrt, sondern in seiner ganzen Banalität und Flachheit präsentiert, was umso beunruhigender auf den Zuschauer wirkt.“[44]

Butler konstatiert, der sich herausbildende Gegensatz in Das Messer im Wasser sei ein von Polanski weitgehend neutral und beobachtend ausgeführter „Konflikt zwischen dem […] Alter und der Jugend […], zwischen Konformität und der Weigerung, sich konform zu verhalten, zwischen der Spießigkeit materiellen Erfolgs […] und der Zurückweisung der Standards dieses Erfolgs.“[45] Die Position von Krystyna ist für Meikle hierbei „eine interessante Metapher. Sie stehe im Zentrum dieser Auseinandersetzung in ihrer unnahbaren, sphinxhaften Art „für die Gesellschaft an sich, dem Flirt mit der rebellischen Jugend nicht abgeneigt, aber letztendlich wieder zum Status quo zurückkehrend“.[27]

Psychologie der Beziehungen

Nicht nur der gesellschaftliche Konflikt, sondern auch die konflikthaften persönlichen Beziehungen des Trios werden von Polanski thematisiert. Während Andrzej sich in einer sicheren Machtposition glaubt, die er zu bewahren versucht, hat ihn seine Frau in seiner, so Baer, „anmaßenden Selbstüberschätzung“[30] längst durchschaut. Polanski bedient sich der Figur des Jungen, um den Ehekonflikt der beiden spürbar zu machen. Er erläutert: „Die dritte Person dient nur als Vorwand, nicht nur für den Drehbuchautor, sondern auch für das Paar in seiner Ehe. […]. Der Konflikt betrifft das Paar“.[46][47]

Doch auch die Beziehung zwischen Andrzej und dem Jungen ist betrachtenswert: Krystyna erkennt, dass der junge Mann „ein – wenngleich noch unausgefülltes – Abbild ihres Mannes“ ist, wie Baer erläutert.[30] Jeder der beiden spiegle sich im Bild des anderen. Werner stellt fest: „Andrzej verkörpert die Zukunft des Jungen, wie der Junge die Vergangenheit Andrzejs verkörpert“.[48] Daher beinhaltet gemäß Butler die Beziehung der beiden Männer „sich bekriegende Aspekte von Eifersucht, Bewunderung, Angst, Verachtung und ein eindeutiges, aber nicht eingestandenes Element aufrichtiger Zuneigung, eher väterlich als homosexuell.“[45]

Krystyna ist es, die diese Situation ausnutzt und zum Schluss des Films die beiden gegeneinander ausspielt. Sie bleibt Siegerin in einem Männerkampf, den Kroner so beschreibt: „Der Kampf zwischen Andrzej und dem Jungen war auch ein Versuch, in Kontakt miteinander zu kommen, ihre Kraft auf die Probe zu stellen und zu entscheiden, wer wen beherrscht oder wer sich wem unterwirft. Am Ende müssen beide einsehen, dass ein solcher Kontakt nicht hergestellt werden kann, ebensowenig wie eine endgültige Klärung von Macht und Ohnmacht“[49]

Psychoanalytische Deutungsansätze

Besonders Butler und Werner stellen ihre Filmanalysen auf mögliche psychoanalytische Deutungsmöglichkeiten ab. Butler betont die phallische Signifikanz“[50] des Messers und nennt es ein Freudsches Sexsymbol“[51], das für die Potenz des Jungen einstehe und dem älteren Mann gefährlich werde. Ironischerweise ermögliche Andrzej dem Jungen den Ehebruch jedoch erst damit, indem er das Messer beseitigt.[50] Auch Werner entdeckt eindeutig sexuell konnotierte Symbole: Der Schuh, den Krystyna als Pfand für ein verlorenes Mikado-Spiel dem Jungen präsentiert, sei „eines der deutlichsten Symbole für die Vagina, wobei der Gürtel mit der protzigen Schnalle, den der Junge als Pfand abgeben muss, ebenfalls ein sexuelles Potenzsymbol sei.[23]

Das Dreiecksverhältniss sei „die Darstellung einer ödipalen Beziehung“, wobei Andrzej als „Vater“ die belehrende und strafende Position und Krystyna die beschützende Mutterrolle einnehme, aber gleichzeitig das Objekt der Begierde des Jungen sei.[52] Werner führt in seiner Argumentation weiter aus, es gebe im Film Motive, die an Kastration und Kastrationsängste gemahnten. So spielen der Junge und Andrzej zum Beispiel das bekannte Spiel, mit dem Messer in die Zwischenräume der Finger einer gespreizten Hand zu stechen, ohne die Finger zu verletzen. Weitere Hinweise sind laut Werner das zweimalige Erklimmen des Bootsmastes durch den Jungen, die gegen Ende des Films prominent in Szene gesetzten gefällten Bäume und die Tatsache, dass die Scheibenwischer gestohlen sind, als Andrzej und Krystyna zu ihrem Auto zurückkehren.[52]

Christliche Symbolik

In einigen der ungewöhnlichsten Einstellungen des Films wird auf christliche Symbolik Bezug genommen. So zeigt zum Beispiel ein Overhead-Shot von der Mastspitze den auf Deck ruhenden Jungen mit ausgestreckten Armen in einer Kreuzigungspose, wobei sein Kopf auf einer Seilrolle ruht, die an einen Heiligenschein gemahnt. Eine weitere Einstellung zeigt den Jungen über der Reling hängend und mit den Füßen „auf dem Wasser wandernd“. Als sich der Junge an einem heißen Topf die Hände verbrennt, können die Verletzungen im Kontext dieser Hinweise als Stigmatisationswunden gedeutet werden. Letztendlich durchlebt der Junge im Laufe der Erzählung seinen „Tod“ und seine „Wiederauferstehung“.[53]

Werner deutet diese Anspielungen auf Erlösungssymbolik als „rein ironisch“.[53] Feeney stellt fest, Polanski habe immer eine Absicht geleugnet und behauptet, die Anspielungen auf das Christentum seien reiner Zufall. Feeney fügt hinzu, er halte sie ebenfalls für ironische Brechungen und Beiträge zur Ambivalenz des Films: „Natürlich ist der junge Mann keine Christusfigur im traditionellen Sinne, sondern eher der, der in Versuchung führt, ein Engel, der Böses will, eine Schlange im Paradiesgarten“.[54]

Einzelnachweise

  1. Kroner: S.133
  2. a b Volker Baer: Das Messer im Wasser in: Koebner: S.545
  3. John Orr: Polanski: The Art of Perceiving in: Orr/Ostrowska: S.10
  4. Interview in den Cahiers du cinéma 1969, zitiert in: Cronin: S.13
  5. a b Feeney: S.33
  6. Werner: S.36
  7. a b Polanski: S.146
  8. a b c Polanski: S.148
  9. a b Polanski: S.147
  10. Polanski: S.150
  11. a b Polanski: S.152
  12. zitiert in: Feeney: S.37
  13. zitiert in: Polanski: S.153
  14. a b c d zitiert in: Meikle: S.61
  15. Burckhardt Heer: Tendenzen im polnischen Film - Eine Dokumentation zu einer Arbeitstagung Ostern 1976 in Vlotho. Arbeitsgemeinschaft für Jugendfilmarbeit und Medienerziehung - Bundesarbeitsgemeinschaft der Jugendfilmclubs e.V. Aachen 1976. S.13
  16. Mark Cousins: Polanski´s Fourth Wall Aesthetic in: Orr/Ostrowska: S.3
  17. Marek Hendrykwoski: Veränderungen in Mitteleuropa in: Geoffrey Nowell-Smith: Geschichte des internationalen Films. Verlag J.B. Metzler Stuttgart und Weimar 2006. ISBN 3-476-02164-5 S.595
  18. zitiert in: Meikle: S.64
  19. a b c d Thompson/Bordwell: S.461
  20. Ulrich Gregor und Enno Patalas: Geschichte des modernen Films. Dms - das moderne Sachbuch Band 36. Sigbert Mohn Verlag Gütersloh 1965. S.301
  21. a b c Butler: S.43
  22. Werner: S.37
  23. a b Werner: S.38
  24. Meikle: S.62
  25. Kritik des Lexikons des Internationalen Films auf den Seiten von filmevona-z.de
  26. Bird: S.32
  27. a b Meikle: S.54
  28. a b Butler: S.47
  29. John Orr: Polanski: The Art of Perceiving in: Orr/Ostrowska: S.8
  30. a b c d Volker Baer: Das Messer im Wasser in: Koebner: S.547 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Koebner547“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  31. a b Feeney: S.35
  32. Werner: S.45
  33. Helena Goscilo: Polanski´s Existential Body - A Somebody, Nobody and Anybody in: Orr/Ostrowska: S.23
  34. zitiert in: Herbert J. Eagle: Power and the Visual Semantics of Polanski´s Films in: Orr/Ostrowska: S.43
  35. Butler: S.35
  36. zitiert in: Meikle: S.51
  37. Interview in Les lettres francaises 1966, zitiert in: Cronin: S.8
  38. Butler: S.48
  39. Werner: S.51
  40. Polanski: S.153
  41. Butler: S.36
  42. Bird: S.31
  43. Werner: S.43
  44. Elzbieta Ostrowska: Knife in the Water: Polanski´s Nomadic Discourse Begins in: Orr/Ostrowska: S.73
  45. a b Butler: S.41
  46. zitiert in: Butler: S.40
  47. Polanksi relativierte später diese Aussage und erklärte 1969 in Positif, sie hätte sich auf die Position des Erzählers in Rainer Maria Rilkes Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge bezogen, der erkennt, dass das von ihm geschriebene Beziehungsdrama durch die Einbeziehung einer dritten Person wertlos ist. Cronin: S.42
  48. Werner: S.42
  49. Kroner: S.140
  50. a b Butler: S.38
  51. Butler: S.39
  52. a b Werner: S.48 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Werner48“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  53. a b Werner: S.49
  54. Feeney: S.37

Literatur

  • Daniel Bird: Roman Polanski. Pocket Essentials Film. Harpenden 2002. ISBN 1-903047-89-7
  • Ivan Butler: The Cinema of Roman Polanski The International Film Guide Series Barnes & Co New York, Zwemmer Ltd. London. 1970. SBN 302-02061-6 (UK)
  • Paul Cronin (Hrsg.): Roman Polanski - Interviews. University Press of Mississippi. Jackson 2005. ISBN 1-57806-800-2
  • F. X. Feeney/Paul Duncan (Hrsg.): Roman Polanski. TASCHEN Verlag Köln 2005. ISBN 3-8228-2541-7
  • Thomas Koebner (Hrsg.): Filmklassiker Band 2 1946-1962. Philipp Reclam jun. Stuttgart 5. Auflage 2006. ISBN 3-15-030033-9
  • Marion Kroner: Roman Polanski – Seine Filme und seine Welt. Programm Roloff & Seeßlen Filmstudien Nr. 6. B. Roloff Verlag Schondorf 1981. ISBN 3-88144-219-7
  • Denis Meikle: Roman Polanski – Odd Man Out. Reynolds & Hearn Ltd. London 2006. ISBN 1 905287 21 6
  • John Orr & Elzbieta Ostrowska (Hrsg): The Cinema of Roman Polanski - Dark Spaces of the World. Wallflower Press. London & New York 2006. ISBN 1-904764-75-4
  • Roman Polanski: Roman Polanski Heyne Verlag 1985. ISBN 3-453-02203-3
  • Kristin Thompson, David Bordwell: Film History – An Introduction. Second Edition. University of Wisconsin-Madison 2003. ISBN 0-07-038429-0
  • Paul Werner: Roman Polanski. Fischer Taschenbuch Verlag 1981. ISBN 3-596-23671-1