Siegfried Matthus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 19. August 2024 um 19:55 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Komma ergänzt, deutsch).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Siegfried Matthus, 1990
Das Grab von Siegfried Matthus auf dem Friedhof in Rheinsberg

Siegfried Matthus (* 13. April 1934 in Mallenuppen, Ostpreußen; † 27. August 2021 in Stolzenhagen[1]) war ein deutscher Komponist und Dramaturg.

Leben und Wirken

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Eltern von Siegfried Matthus waren Landwirte mit einem Gehöft. Die Mutter verdiente mit Schneidern etwas dazu, der Vater spielte in der Schenke zum Tanz auf, am Wochenende auch über Land. Mit neun Jahren wurde Siegfried Matthus zum Klavierunterricht geschickt. Am 22. Oktober 1944 floh er mit seiner Familie vor den heranrückenden Truppen der Roten Armee in den Westen.[2] Nach einer schweren Übergangszeit wurden die Eltern Neubauern in Läsikow im Landkreis Ruppin. Der Vater lehrte ihn Geigen- und Trompetenspiel so weit, dass er eine Nacht mit dem üblichen Repertoire Musik machen und dabei auch improvisieren konnte.

Studium und Beruf

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Grundschule besuchte er bis zum Abitur die Oberschule in Rheinsberg, auf der er in der zwölften Klasse die Leitung des Schulchors übernahm, für den er auch komponierte. Von 1952 bis 1958 studierte Matthus an der Deutschen Hochschule für Musik in Ost-Berlin Chor- und Ensembleleitung, seit 1956 auch Komposition bei Rudolf Wagner-Régeny. Von 1958 bis 1960 war er Meisterschüler von Hanns Eisler und danach bis 1964 freischaffender Komponist.

Für Rundfunksendungen zum Bau der Berliner Mauer lieferte Matthus propagandistische Beiträge.[3]

Walter Felsenstein holte ihn 1964 an die Berliner Komische Oper, wo Matthus in Zusammenarbeit mit Götz Friedrich und Harry Kupfer lange als Berater (Dramaturg) für zeitgenössische Musik und Komponist wirkte. 1972 übernahm er eine Meisterklasse an der Akademie der Künste der DDR. Mit der Reihe Kammermusik im Gespräch wurde er von 1966 bis 1988 zum Pionier der Modernen Klassischen Musik in der DDR. 1985 wurde er zum Professor ernannt. Zu seinen Schülern gehören Bernd Franke, Thomas Hertel, Walter Thomas Heyn und Reinhard Pfundt.

1969 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Künste in Berlin (Ost), wo er ab 1972 eine Meisterklasse dieser Akademie leitete und Sekretär der Sektion Musik war. 1976 wurde er auch Mitglied der Akademie der Künste Berlin (West) sowie 1978 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München.

1990 initiierte er die Gründung der Kammeroper Schloss Rheinsberg mit Opernwerkstatt und Aufführungen, deren künstlerischer Leiter er seit der Gründung bis 2014 war. Am 1. September 2014 übernahm sein Sohn Frank Matthus die Leitung.[4] 2007 erhielt die neue Veranstaltungshalle im Hafendorf Rheinsberg den Namen Siegfried-Matthus-Arena.

Er war ab 1957 mit der Sängerin Helga Matthus verheiratet und wohnte in Stolzenhagen und in Berlin. Sein Sohn Frank Matthus (* 1964) ist Schauspieler und Theaterregisseur.[5] Siegfried Matthus starb nach längerer schwerer Krankheit im August 2021 im Alter von 87 Jahren.

Werke (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Matthus komponierte etwa 600 Musikwerke, die ihn zu einem der bekanntesten Komponisten der DDR machten. Er befasste sich mit Dodekaphonie, Serieller Musik und historischen Kompositionsverfahren von Bach bis Strauss, fühlte sich aber später einer freien Atonalität verpflichtet und arbeitete mit sieben- bis elf-tönigen Reihen. Er erfreute sich hoher Aufführungszahlen und wurde auch vom Publikum akzeptiert.

Sonstige Kompositionen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • zahlreiche Lieder, Ouvertüren, Hörspiel- und Fernsehmusiken
  • 1963: Kleines Orchesterkonzert
  • 1968: Violinkonzert
  • 1969: Dresdner Sinfonie (1970 neues Finale)
  • 1970: Klavierkonzert
  • 1975: Cellokonzert
  • 1976: Zweite Sinfonie
  • 1977: Orchesterkonzert Responso
  • 1982: Konzert für Trompete, Pauken und Orchester (zur 100-Jahr-Feier der Berliner Philharmoniker)
  • 1984: Der Wald, Paukenkonzert
  • 1985: Divertimento für Orchester (für die Salzburger Festspiele)
  • 1985: Die Windsbraut (für die Münchner Philharmoniker)
  • 1989: Der See Harfenkonzert
  • 1993: Sinfonie Unser Mund soll von Weisheit reden und unser Herz in Liebe sein (Gewandhaussinfonie)
  • 1994: Manhattan Concerto (für die Manhattan School in New York)
  • 1994: Konzert für Horn und Orchester (für Staatskapelle Dresden und Peter Damm)
  • 1996: Streichquartett Das Mädchen und der Tod
  • 2002: Concerto for Two für Trompete und Posaune
  • 2005: De vacuo spatio (Musikalische Metaphern nach Texten von Otto von Guericke, zur 1200-Jahr-Feier der Stadt Magdeburg)
  • 2005: Phantastische Zauberträume – ein saxofonisches Märchen (für Kieler Philharmoniker)
  • 2005: Te Deum (zur Weihe der wieder aufgebauten Dresdner Frauenkirche)
  • 2006: Song der Fußballjungen für drei Frauenstimmen und Orchester, UA am 8. Februar 2006, Berlin
  • 2007: Lamento (Auftragswerk der Münchner Philharmoniker)
  • 2008: Feuermusik für Streichorchester
  • 2009: Konzert für Fünf für Bläserquintett und Orchester (Auftragswerk der Stiftung Berliner Philharmoniker; uraufgeführt am 28. Mai 2009 in Berlin).
  • 2009: Neun sinfonische Intermezzi zu Schillers Ode an die Freude (Auftragswerk des Akademischen Orchesters Leipzig, UA am 9. November 2009, Gewandhaus Leipzig)
  • 2010: Grete Minde nach Theodor Fontane für Solisten, Chor und Orchester (UA am 22. Mai 2010, Neuruppin)
  • 2011: Konzert für Posaunenquartett und Orchester „Vier Wildschweine zerstören das Paradies“ (UA am 9. März 2012, Saalfeld)
  • 2012: Konzert für Violine und Orchester „Traum einer Sommernacht“, gewidmet der Geigerin Viviane Hagner (Auftragswerk der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, UA am 26. August 2012, Ulrichshusen)
  • 2013: Schweriner Konzert, Auftragswerk der Mecklenburgischen Staatskapelle aus Anlass ihres 450-jährigen Bestehens. UA am 21. Mai 2013, Schwerin
  • 2015: Von der Macht des Gesangs für Vokalsolisten, Chor und Orchester. Zum 200. Jahrestag der Gründung der Singakademie Frankfurt (Oder), UA am 1. März 2015, Frankfurt (Oder)
  • 2015: Epimetheus oder Die Geburt der Hoffnung aus der Musik, Kantate für vier Gesangssolisten, Chor und Orchester (Auftragswerk der Ruhr-Universität Bochum aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens, UA am 24. Juni 2015, Bochum)
Commons: Siegfried Matthus – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Franziska Stürz: Zum Tod des Komponisten Siegfried Matthus: Pädagoge und Wegbereiter der Neuen Musik. In: BR Klassik. 30. August 2021, abgerufen am 30. August 2021.
  2. Frank Schneider: Siegfried Matthus. In: Ders.: Momentaufnahme, Notate zu Musikern in der DDR. Reihe Kunstwissenschaften, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1969, S. 125.
  3. Thomas Klug: Mauerbau im DDR-Rundfunk – Als Humor getarnte Kriegsrhetorik. (mp3-Audio; 16,5 MB; 18:05 Minuten) In: Deutschlandfunk-Kultur-Sendung „Zeitfragen“. 11. August 2021, abgerufen am 26. August 2021 (html-Manuskript).
  4. Führungswechsel an der Kammeroper Rheinsberg: Matthus folgt auf Matthus. In: rbb-online.de. 14. August 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. September 2015; abgerufen am 30. August 2021 (mit Bild von Siegfried und Frank Matthus).
  5. In Stolzenhagen wohnt der bekannteste lebende Komponist Deutschlands: Zu Besuch bei Siegfried Matthus. In: deutschland-im-internet.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Juli 2012; abgerufen am 30. August 2021.
  6. Louis Spohr Musikpreis: Bisherige Preisträger. In: braunschweig.de. Abgerufen am 30. August 2021.
  7. Großes Verdienstkreuz Siegfried Matthus. In: Deutschlandfunk Kultur. 13. Februar 2015, abgerufen am 30. August 2021.
  8. Effi Briest: Oper von Siegfried Matthus. In: staatstheater-cottbus.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Juli 2020; abgerufen am 30. August 2021.