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Bundeshaushalt – Warum ist er so umstritten?

Finanzplanung ist komplex. Und während sich viele Bürger im Sommer den Kopf zerbrechen, ob sie in den Urlaub fahren oder das Geld besser zurücklegen, entscheidet die Bundesregierung jedes Jahr darüber, ob die Bahnstrecken des Landes ausgebaut werden sollen oder eher das Kindergeld erhöht. Doch wie genau laufen die Verhandlungen zum Bundeshaushalt ab? Weshalb sind die Diskussionen zum Thema derzeit so hitzig? Und sollte sich Deutschland Geld leihen, um Investitionen zu tätigen oder doch lieber sparen?
THE, 22.07.2024
Parlamentsgebäude (alter Reichstag) in Berlin

© Parlamentsgebäude: yuelan, ThinkstockPhotos; Warnschilder: CopyrightFreePictures, pixabay.de

„Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie alle! Schlaf wird überschätzt! Wir haben lange durchgemacht und viel beraten“, so beginnt die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz. Es geht um ein Thema, das in den letzten Jahren für viel Furore gesorgt hat: der Bundeshaushalt, sozusagen die Haushaltskasse der Bundesrepublik Deutschland. In dem am 17. Juli 2024 beschlossenen, über 3.000 Seiten langen Dokument stehen nun die für das Jahr 2025 geplanten Einnahmen und Ausgaben der Bundesrepublik festgeschrieben.

Das „Girokonto“ der Bundesregierung

Der Bundeshaushalt funktioniert dabei so ähnlich wie ein privates Girokonto: Während bei den meisten Menschen je nach individueller Situation monatlich Taschengeld oder der Arbeitslohn auf das Konto flattert, nimmt die Bundesregierung vor allem Geld über Steuern wie beispielsweise die Lohnsteuer ein – insgesamt jährlich um die 400 Milliarden Euro. Von diesem Geld werden alle laufenden Kosten gedeckt, die eigentlich nur dazu dienen, dass der tägliche Betrieb so weiterlaufen kann wie auch bisher, beispielsweise die Rentenzahlungen.

Wenn nach den laufenden Ausgaben noch Geld auf dem Konto liegt, steht man vor der Qual der Wahl: Das verbliebene Budget ist begrenzt und man muss deshalb abwägen, welche Bereiche im kommenden Jahr wichtig sein sollen. Für uns Einzelne stellt sich etwa die Frage: Schaue ich mir endlich Ägypten an oder investiere ich das Geld besser in meine Gesundheit und schließe eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio ab? Die Regierung muss hingegen entscheiden, ob sie in die Bildung von Kindern investiert, in das Verkehrssystem oder eher in Windräder. Dabei verhandeln Außen-, Innen-, Umwelt- und alle weiteren Ministerien miteinander, wie Deutschland mit dem verfügbaren Budget seine politischen Vorhaben am besten verwirklichen kann.

Die Schuldenbremse

Doch derzeit beschäftigt die Regierung noch eine weitere Frage, die vermutlich auch jeden von uns, der am Ende des Monats nur noch ein Schwarzes Loch im Portemonnaie hatte, wachgehalten hat: Was, wenn das Geld fehlt? Auch aus diesem Grund derzeit so viel über den Haushalt diskutiert: Durch die vielen Krisen wie die Corona-Pandemie hatte der deutsche Staat viele Mehrausgaben, etwa durch Anschaffung zusätzlicher medizinischer Ausrüstung wie Schutzkleidung oder Beatmungsgeräte. Auch der Ukrainekrieg und die damit verbundenen Waffenlieferungen schlugen ins Budget.

 Die Bundesregierung kann sich das Geld für diese Investitionen zwar theoretisch leihen, die gesetzlich verankerte Schuldenbremse verhindert dies jedoch. Diese begrenzt die Geldmenge, die der Staat sich leihen kann, auf knapp 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – das soll verhindern, dass eine Übermenge an Schulden zukünftige Generationen belastet. Viele Menschen unterstützen dieses Gesetz. „Dass die Einhaltung der Schuldenbremse bestätigt wurde, ist notwendig“, kommentiert Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen.

Weitersparen oder in die Zukunft investieren?

Gleichzeitig wird der Sinn der Schuldenbremse derzeit stark diskutiert. Denn die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen erfordern es, mehr Geld zu investieren, so das Argument. Laut dem Paritätischen Wohlfahrtsverband drohen etwa durch den geplanten Spar-Haushalt notwendige soziale Investitionen, wie Hilfen gegen Kinder- und Familienarmut, auf der Strecke zu bleiben. „Die Einhaltung der Schuldenbremse wurde von der Koalition höher bewertet als die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen und der Förderung sozialer Angebote“, so die Befürchtung.

Auch laut dem Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) müsse Deutschland mehr Geld in die Zukunft investieren, beispielsweise Mittel für Bildung, Infrastruktur, Klimaschutz und Zukunftstechnologien. Ansonsten wird Deutschland in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein. „Ohne finanzielle Mittel geht das nicht. Wer in Zukunft Exportweltmeister sein will, investiert jetzt nachhaltig“, erklärt Katharina Reuter, Geschäftsführerin des BNW.

Studie: Deutschland braucht 600 Milliarden Euro staatliche Extra-Investitionen

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Laut der Studie müsste Deutschland über die kommenden zehn Jahre jährlich gezielt etwa 60 Milliarden Euro zusätzlich investieren, um Infrastruktur, Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig zu machen mit Blick auf Klimaschutz, Energiewende, demografischen Wandel und Digitalisierung. Um diese Investitionen sowie die weiteren Kosten zu finanzieren, reichen die Einnahmen des deutschen Staates und die in der Schuldenbremse festgelegten 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes allerdings nicht aus.

Laut der Studie würde eine derartige Investitionsoffensive allerdings genug wirtschaftliche Vorteile über Jahrzehnte bringen – etwa, weil eine höhere Produktivität durch bessere Bildung und effektivere Technik die geringere Anzahl an Arbeitskräften in einer alternden Gesellschaft teilweise ausgleichen kann. Deshalb sei es auch sinnvoll, die Regelungen zur Schuldenbremse zu modifizieren, um den notwendigen Spielraum für Kredite zu ermöglichen. „So ist bei einer solchen kreditfinanzierten Investitionsoffensive mittel- bis langfristig sogar mit einer niedrigeren Schuldenquote zu rechnen als ohne eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen“, so die Forschenden. Tatsächlich liegt Deutschland in puncto Investitionen im europäischen Vergleich inzwischen eher hinten.

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