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Wie Benjamin Franklin den Blitz zähmte

Vor 270 Jahren verhelfen ein Drachen, ein Schlüssel und der Unternehmer, Staatsmann und Hobbyforscher Benjamin Franklin dem Blitzableiter zum Durchbruch – und klären die Natur des Blitzes. Das berühmte Experiment von Franklin beweist, dass ein Blitz nichts anderes ist als eine elektrische Entladung und zeigt gleichzeitig, wie sich diese Entladung so ablenken lässt, dass sie nicht in ein Gebäude einschlägt. Wie aber kam es dazu? Und was passierte bei dem Experiment?
NPO, 15.06.2022
Benjamin Franklin (1706-1790) im ALter von 79 Jahren

fergregory, GettyImages (Hintergrund)

Mitte des 18. Jahrhunderts ist das Phänomen der Elektrizität noch etwas vollkommen Neues, erst allmählich beginnen Wissenschaftler, die Gesetzmäßigkeiten dieser unsichtbaren, aber mächtigen  Kraft zu ergründen. Auch der Unternehmer und Politiker Benjamin Franklin kann sich der Faszination dieses geheimnisvollen Mediums nicht entziehen. In mehreren Experimenten erforscht er das Phänomen der Ladungen, die Übertragung von Strom durch leitfähige Materialien und entwickelt sogar ein erstes Konzept für eine Batterie.

Könnte ein Blitz auch ein  Stromschlag sein?

Bei seinen Experimenten bekommt Franklin mehrfach heftige Stromschläge – und ist beeindruckt von der Wirkung der Elektrizität. Gleichzeitig erinnern ihn der Funkenschlag und seine Empfindungen beim Stromschlag stark an Berichte von Menschen, die von einem Blitz getroffen wurden. Sollte womöglich auch ein Blitz nichts anders sein als eine Spielart der Elektrizität – das Überspringen eines gewaltigen Funkens von der Wolke zur Erde?

1749 beschreibt Franklin seine Hypothese in einem Brief so: „Wenn elektrifizierte Wolken über ein Land, hohe Berge, große Bäume, hochaufragende Türme, Kirchtürme, Masten von Schiffen, Schornsteine und so weiter ziehen, dann ziehen diese das elektrische Feuer auf sich und die gesamte Wolke entlädt sich dort.“ Zunächst erntet Franklins Idee nur Spott und Gelächter. Zu gewagt und exotisch ist diese Vorstellung. Ohne einen Beweis ist man nicht gewillt, eine solche These zu akzeptieren.

Wie lässt sich dies testen?

Wie aber kann man beweisen, dass Blitz und Elektrizität im Prinzip dasselbe sind? Nach einigem Grübeln entwickelt Franklin ein Konzept – das Schilderhaus-Experiment:  „Man platziere auf einem hohen Turm eine Art Wachhäuschen – groß genug für einen Mann und eine leitfähige Standplatte. Von dieser Platte ragt ein am Ende angespitzter Eisenstab rund zehn Meter in die Höhe“, beschreibt Franklin den Aufbau. Wenn nun Gewitterwolken über den Stab hinwegziehen, müsste der Stab ihre elektrische Ladung anziehen und die Standplatte mitsamt Mann elektrifizieren. 

Doch Franklin lebt im Philadelphia des 18. Jahrhunderts und in dieser Stadt gibt es damals kaum höhere Gebäude oder geeignete Hügel. Wie soll er es da schaffen, mit einem Stab nah genug an Gewitterwolken heranzukommen? Auf der Suche nach einer Lösung fällt dem Hobbyforscher eine ungewöhnliche Alternative ein: Wenn kein Turm da ist, muss man den Blitzköder eben auf andere Weise den Wolken näher bringen – mit einem Drachen.

Das Drachen-Experiment

An Nachmittag des 15.  Juni 1752 ist es dann soweit: Benjamin Franklin setzt sein gewagtes Experiment um. Als am Horizont Blitze zucken und dunkles Grollen ein Gewitter ankündigt, geht er mit seinem Sohn zum Drachensteigen hinaus. Als Drachen dient ihm über zwei Hölzchen gespanntes Seidentuch. Auf der Oberseite des Drachens ist ein hochstehender Eisendraht befestigt, als Leine dient eine Hanfschnur – ein im feuchten Zustand leitendes Material.

„Sobald nun Gewitterwolken über den Drachen hinwegziehen, wird der spitze Draht das elektrische Feuer aus ihnen ziehen und der Drache mitsamt der Schnur wird elektrifiziert“, erklärt Franklin das Prinzip. Um keinen Blitzschlag zu erleiden, hält Franklin die Hanfschnur seines Drachens nicht direkt in der Hand. Stattdessen hat er einen Seidenfaden an ihr Ende gebunden, den er durch Unterstellen unter ein Regendach trocken hält. Auf diese Weise wirkt der Seidenfaden als Isolator und verhindert das direkte Weiterleiten der aus der Wolke stammenden Elektrizität.

Um nachzuweisen, dass ein Strom fließt, hängt Franklin einen Schlüssel an das Ende der Hanfschnur. Dieser lädt sich auf und kann nun Funken auf eine sich annähernde Hand überspringen lassen. Das Experiment glückt. Damit ist es Franklin endlich gelungen zu bestätigen, dass auch ein Blitz nichts anderes ist als eine Form von Elektrizität.

Der Siegeszug des Blitzableiters

Doch das ist nicht alles, denn der gewiefte Unternehmer Franklin sieht in dieser Erkenntnis auch einen ganz praktischen Nutzen: Wenn ein Eisendraht die Elektrizität aus einer Gewitterwolke ableiten kann, könnte ein solcher Draht dann nicht auch als Blitzableiter dienen? Dieser müsste aus einer isolierten Leitung bestehen, die an einem freien Ende im Boden steckt und am anderen vom Dach des Gebäudes in den Himmel ragt. „Ein Haus, das so ausgerüstet ist, wird vom Blitz nicht beschädigt. Denn dieser wird von den Spitzen angezogen und fährt durch das Metall in den Grund, ohne irgendetwas zu verletzen“, beschreibt Franklin das Prinzip.

Schon 1752 stattet Franklin sein Wohnhaus mit einem solchen Blitzableiter aus und auch erste öffentliche Gebäude in Philadelphia bekommen diesen Blitzschutz. Nachdem er das Prinzip weiter optimiert hat, findet der neue Blitzableiter in benachbarten Regionen, aber auch in Europa reißenden Absatz. Der französische König lässt ausrichten: „Herr Franklin aus Philadelphia ist für seine nützlichen Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrizität und der Anwendung der spitzen Stangen zu beglückwünschen, mit denen die fürchterlichen Auswirkungen von Gewittern verhindert werden können.“

Während Franklins Blitzableiter ausdrücklich spitze Stäbe oder Drähte als Endstücke besitzen, erscheint dies dem englischen König George III. dagegen suspekt. Er entscheidet sich dafür, auf seinem Palast nur stumpfe Blitzstäbe anzubringen – eine Mode, die sich unter den loyalen Untertanen des Königs bald durchsetzt. In den Kolonien jenseits des Atlantik dagegen werden demonstrativ Franklins Modelle genutzt – auch als Statement des wachsenden Unabhängigkeitsbestrebens in Nordamerika.

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