Natascha Strobl

österreichische Politikwissenschaftlerin und Skandinavistin

Natascha Strobl (* 25. Februar 1985 in Wien)[1] ist eine österreichische Politikwissenschaftlerin. Sie gilt als Expertin für Rechtsextremismus und die Neue Rechte und ist Mitautorin eines Fachbuchs über Strategien und Ziele der Identitären Bewegung in Europa.

Natascha Strobl (2023)

Strobl studierte im norwegischen Bergen sowie an der Universität Wien. 2010 schloss sie ein Skandinavistik-Studium mit ihrer Diplomarbeit zu den Sozialsystemen in Norwegen und Österreich als Magistra ab,[2] 2012 ihr Politologiestudium mit einer Diplomarbeit über Ideologie und Strategie der Neuen Rechten.[3] Während ihres Studiums engagierte sie sich als Vorsitzende des Wiener VSStÖ[4]. Sie war im Vorstand der SPÖ Wien[5] und arbeitete für Sonja Wehsely[6]. Heute ist sie Mitglied der SPÖ und gehört laut der Tageszeitung Der Standard zum „engsten Kreis“ um den seit Juni 2023 amtierenden Parteivorsitzenden Andreas Babler.[7][8] Für die von ihr mitgegründete Initiative „Offensive gegen Rechts“ fungierte sie zeitweise als Sprecherin.[9]

Mehrmals war Strobl Gast der Fernseh-Talkshow Im Zentrum des ORF.[10][11][12] Beiträge von Natascha Strobl als Gast-Autorin sind im Standard,[13][14] bei Zeit Online,[15] im Falter,[16] der taz,[17] dem Neuen Deutschland, wo sie seit November 2021 eine monatliche Kolumne schreibt,[18] und den Publikationen des Momentum Instituts[19] erschienen. Ihre Kontextualisierungen von Interviews mit sowie Ansprachen von Politikern unter dem Hashtag „#NatsAnalyse“ auf Twitter sind nach Ansicht von Sascha Lobo ein Beispiel für die Qualität politischer Analysen auf Twitter.[20]

In den deutschsprachigen Leitmedien wird Strobl häufig als Rechtsextremismus-Expertin herangezogen.[21]

Strobl war nach eigenen Angaben wiederholt Opfer von Einschüchterungsversuchen und Vergewaltigungsdrohungen. Nach Veröffentlichung ihres ersten Buchs über die Identitäre Bewegung berichtete die Presse von einem Ende März 2014 entdeckten Einschussloch in ihrem Küchenfenster.[9][22][23] Der Leiter der FPÖ-Pressestelle im Nationalrat hatte sie zuvor öffentlich als „Trampel“ und „Kreatur“ beschimpft.[11] Zu den Bedrohungen trugen Internetseiten wie „Solidarität mit der Polizei“ oder „Verein der Freunde der Tagespolitik“ bei.[24]

Strobl gehörte Anfang 2021 zu den Erstunterzeichnern der Kampagne Zero Covid.[25]

Im Oktober 2023 stellte Strobl gemeinsam mit der Stiftung COMÚN den „Gegenrechtsschutz“ vor, einen Fonds zum Schutz vor Angriffen durch Rechtsextreme nach dem Vorbild des „Prinzenfonds“ von FragDenStaat aus Deutschland. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Strobl in den Beirat der Stiftung berufen wurde.[26]

Rezeption

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Strobl setzt sich intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus in Österreich auseinander, insbesondere mit der Identitären Bewegung Österreich sowie mit rechtsgerichteten und rechtsradikalen Studentenverbindungen. Sie gilt in den deutschsprachigen Leitmedien als Expertin für Rechtsextremismus und die Neue Rechte.

Die Identitären

Für Björn Allmendinger, Lehrbeauftragter an der Universität Hannover, gelang den Autoren in ihrem Handbuch über diese „Jugendbewegung“, die für „altbekanntes rechtsextremes Gedankengut in neuem Gewand“ stehe, „eine erste umfassende Gesamtdarstellung der identitären Bewegung in Europa“. Das Handbuch biete „eine solide Grundlage für weiterführende Analysen und die Entschlüsselung neurechter Codes und Symbole.“ Seine Rezension bezog sich auf die erste, 2014 erschienene Auflage.[27]

Gemäß der Historikerin Anna Laiß hätten Strobl und ihre Mitautoren, der Philosoph Julian Bruns und die Politologin Kathrin Glösel, in ihrem Buch über die „in Österreich im Dunstkreis rechter Burschenschaften rasch“ gewachsene „Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa“ Neuland betreten: ihre Analyse sei das „erste deutschsprachige ‚Handbuch‘ zur ‚Identitären Bewegung‘“. Es ermögliche „einen differenzierten Einblick in Ideen und Strategien der Bewegung“, die „mit einer auf populärkulturelle Elemente setzenden Ästhetik und radikalen Aktionsformen SchülerInnen und StudentInnen“ anspreche, vor einem angeblichen „großen Austausch“ warne und eine „Verschiebung des öffentlichen Diskurses hin zur Akzeptanz menschenfeindlicher Ideen��� anstrebe.[28]

Wolfgang Frindte rezensierte die im Mai 2016 erschienene zweite Auflage von Strobls Handbuch (im Juli 2017 erschien eine dritte, aktualisierte und erweiterte Auflage) und fand, „aus der Lektüre des Buches“ „viel gelernt“ zu haben. Das Buch basiere auf hochaktuellem Quellenmaterial, Frindte empfahl es ausdrücklich Wissenschaftlern, Journalisten und engagierten Menschen im Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus zur Lektüre. Sollten „die Neuen Rechten und die Identitären das Buch ebenfalls kaufen und lesen“, würden „sie staunen, wie gut und treffend sie unter Beobachtung“ ständen.[29]

Rechte Kulturrevolution

Armin Pfahl-Traughber hält den von Strobl zusammen mit Julian Bruns und Kathrin Glösel verfassten Band zu aktuellen Entwicklungen im intellektuellen Rechtsextremismus zwar „bei bestimmten Aspekten“ für informativ, empfindet es aber wegen fehlender genauerer Erörterung als zu oberflächlich. Auch würden die von den Autoren aufgestellten Definitionen nicht zu allen Objekten passen; dass HoGeSa und Pegida sich mit der Konservativen Revolution befassen würden, bezweifelt Pfahl-Traughber. Er hätte es als sinnvoll empfunden, der Identitären Bewegung ein eigenes Kapitel zu widmen und sich ausführlicher auf die relevanten Akteure wie eben das Institut für Staatspolitik oder die Zeitschrift Sezession zu beziehen.[30]

Für den Politologen René Neumann (Portal für Politikwissenschaft) bieten die Texte über die Protagonisten der Neuen Rechten, ihre ideologischen Grundlagen sowie Strategien „überblickshafte Einsichten insbesondere in die jüngsten Entwicklungen des rechten politischen Spektrums in Theorie und Praxis. Der Anspruch der Analyse“ sei „eine kritisch‑aufklärerische Perspektive über die potenzielle Gefahr durch die Neue Rechte für eine demokratische Gesellschaft“, weshalb „vor allem affirmative Kooperationsbemühungen zwischen den Akteuren dargestellt“ würden. Konflikte und ideologische Differenzen innerhalb der verschiedenen Gruppierungen würden aber „nur am Rande thematisiert“.[31]

Veröffentlichungen

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Monografien
  • mit Julian Bruns, Kathrin Glösel: Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa, 3., aktualisierte Auflage, Unrast Verlag, Münster 2017, ISBN 978-3-89771-224-9. Erste Auflage 2014.
  • mit Julian Bruns, Kathrin Glösel: Rechte Kulturrevolution. Wer und was ist die Neue Rechte von heute? VSA-Verlag, Hamburg 2015, ISBN 978-3-89965-639-8, (eingeschränkte Vorschau).
  • Radikalisierter Konservatismus. Eine Analyse. Suhrkamp, Berlin 2021, ISBN 978-3-518-12782-7.[32]
    • italienische Übersetzung: Le nuove destre. Un’analisi globale del conservatorismo radicalizzato, übersetzt von Raffaella D’Auria, LEG Edizioni 2022, ISBN 978-886102-970-5.
    • schwedische Übersetzung: Radikaliserad konservatism, übersetzt von Hillevi Jonsson, Stockholm 2022, ISBN 978-91-7445-024-8.
  • mit Michael Mazohl: Klassenkampf von oben. Angriffspunkte, Hintergründe und rhetorische Tricks, ÖGB-Verlag 2022, ISBN 978-3-99046-464-9.
  • Solidarität, Kremayr & Scheriau, Wien 2023, ISBN 978-3-218-01378-9.
Buchbeiträge
  • mit Julian Bruns: Preparing for (Intellectual) Civil War. The New Right in Austria and Germany. In: Maik Fielitz, Laura Lotte Laloire (Hrsg.): Trouble on the Far Right. Contemporary Right-Wing Strategies and Practices in Europe (= Edition Politik. 39). transcript, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8376-3720-5, S. 105–110, (eingeschränkte Vorschau).
  • mit Julian Bruns: Eine schrecklich nette Familie. In: Friedrich Burschel (Hrsg.): Das faschistische Jahrhundert: neurechte Diskurse zu Abendland, Identität, Europa und Neoliberalismus. Verbrecher Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-95732-454-2, S. 231–258 (Rezension von Sieglinde Geisel in Deutschlandfunk Kultur).

Auszeichnungen

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Commons: Natascha Strobl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Autorenprofil Natascha Strobl. In: Unrast-Verlag.
  2. Natascha Strobl: Eine vergleichende Analyse des österreichischen und norwegischen Wohlfahrtsstaates in der Konstruktion von Mutterschaft. Universität Wien (Diplomarbeit, Betreuer: Sven Hakon Rossel), 16. November 2010, 102 Seiten.
  3. Natascha Strobl: Ideologie und Strategie der „Neuen Rechten“ am Beispiel des Funken. Universität Wien (Diplomarbeit, Betreuer: Hannelore Eva Kreisky), 2012, 164 Seiten.
  4. VSStÖ: "System" Uni macht immer mehr Studenten psychisch krank. In: Der Standard. 27. Oktober 2010.
  5. Pressedienst der SPÖ Wien: Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz. Abgerufen am 14. August 2020.
  6. Presse-Service: Archivmeldung: Wehsely beim Wiener Hospiz- und Palliativtag. 7. April 2016, abgerufen am 15. August 2020.
  7. Max Bell: „Wenn der Onkel rassistische Sprüche loslässt, muss man was sagen“ – Natascha Strobl im Interview. In: wolfgang-magazin.com. 19. November 2019.
  8. Turmbau zu Babler: Kann die Neuaufstellung der SPÖ noch gelingen? Der Standard, 23. Juli 2023, abgerufen am 25. Juli 2023
  9. a b Michael Bonvalot: ''Ein Warnschuss für alle Nazi-Gegner. In: Störungsmelder. 9. April 2014.
  10. Ingrid Thurnher: Krawall um den Ball – Polizei, Proteste, Provokation. Sendung mit Gerhard Pürstl, Andreas Mölzer, Natascha Strobl, Rudolf Sarközi, Albert Steinhauser und Franz C. Bauer. In: Im Zentrum. 26. Jänner 2014.
  11. a b FPÖ: Wirbel um „Trampel“-Beschimpfung. In: oe24. 5. Mai 2014.
  12. Claudia Reiterer: Gefangen im SPÖ-Labyrinth – Welche Richtung stimmt? Sendung mit Christian Deutsch, Georg Dornauer, Hans Niessl, Andreas Babler, Sara Costa und Natascha Strobl. In: Im Zentrum. 13. Oktober 2019.
  13. Natascha Strobl: Völkisch, deutschnational und elitär. In: Der Standard. 24. April 2018.
  14. Natascha Strobl: Die Strategie der Identitären. In: Der Standard. 28. April 2016.
  15. Natascha Strobl: Der Angstmacher. In: Zeit Online. 30. Dezember 2019.
  16. Natascha Strobl: Autorenprofil Natascha Strobl. In: Falter.
  17. Natascha Strobl: Kurz plant blau. In: taz. 27. September 2019.
  18. Natascha Strobl: Nicht mit, sondern über Faschisten auf der Buchmesse reden (nd-aktuell.de). Abgerufen am 4. November 2022.
  19. Natascha Strobl: Wie ein rechter Shitstorm funktioniert. In: moment.at. 11. November 2019.
  20. Sebastian Loudon: „Die Öffentlichkeit bietet mir auch Schutz“. In: Datum. September 2019.
  21. Birgit Seiser, Raffaela Lindorfer: Österreich, Welt-Zentrale der neuen Rechtsextremen. In: Kurier. 27. März 2019.
    Nikolaus Pichler: Expertin Natascha Strobl: „Bei Rechtsextremismus gehört Österreich zur Avantgarde“. In: Stern. 31. März 2019.
    Wenn Rechtsextreme eine Bühne kriegen. OE1. 3. Juni 2019.
    Elisalex Henckel: Das fesche Gesicht der harten Rechten. In: Die Welt. 1. November 2016.
    Patrick Bahners: Mit Hitlerlektüre Höcke verstehen? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 27. September 2019.
    Elisa von Hof: Wer kritische Fragen stellt, ist ein Feind. In: Spiegel Online. 22. September 2019.
    Johannes Reichart: Historikerbericht stößt auf Kritik. In: ard-wien.de. 6. August 2019.
    Natascha Strobl: „Regierung hat Narrative der Identitären übernommen“. In: FM4. 28. März 2019.
    Ingrid Brodnig: Wirr ist das Volk: Die digitale Parallelwelt der Pegida-Anhänger. In: Profil. 9. Februar 2015.
    Srdjan Govedarica: „Ich, ich, ich - das ist der Inhalt.“ In: tagesschau.de. 28. September 2019.
    Was sagen Strache, Kurz und Van der Bellen zwischen den Zeilen? In: FM4. 20. Mai 2019.
    Kanzler trotz Ibiza: Sebastian Kurz vor der Wiederwahl? In: Bayerischer Rundfunk. 28. September 2019.
    Natascha Strobl: Die 3 Erzählungen der ÖVP im nächsten Wahlkampf. In: kontrast.at. 28. Mai 2019.
    Felix Diewald: Krisen-PR analysiert: Die Auftritte der Politiker*innen nach #Ibizagate. In: FM4. 22. Mai 2019.
    Arnika Zinke: #ibizagate: Ein Polit-Skandal in Memes, Tweets und Analysen. In: Wienerin. 20. Mai 2019.
    Jörg Paas: Ein Jahr Ankerzentren in Bayern. (Podcast, Interview mit Natascha Strobl) In: B5 aktuell. 4. August 2019.
    Waffen statt Worte - Der Mord an Walter Lübcke. In: Bayerischer Rundfunk. 26. Dezember 2019.
    Kritik an ARD und „hart aber fair“-Moderator Plasberg nach Sendung mit AfD-Politiker Junge. In: Westdeutsche Zeitung. 2. Juli 2019.
    Florian Gasser: Jenseits der Lügenpresse. In: Die Zeit. Nr. 13/2016, 17. März 2016.
  22. Fenster von Ex-VSStÖ Wien-Chefin eingeschossen. (Memento vom 4. April 2014 im Internet Archive) In: heute. 1. April 2014.
  23. Angriff auf Aktivistin der „Offensive gegen Rechts“. In: Der Standard. 4. April 2014.
  24. Hanna Herbst: Rechts, Links und dazwischen ein Schuss. In: Vice. 1. April 2014.
  25. Diese Initiative fordert einen totalen, solidarischen und europäischen Lockdown. 14. Januar 2021, abgerufen am 4. April 2023.
  26. „Gegenrechtsschutz“: Neuer Fonds soll Schutz vor Angriffen von Rechts organisieren. Abgerufen am 16. Oktober 2023.
  27. Björn Allmendinger: Die Identitären. In: Portal für Politikwissenschaft. 12. Juni 2014.
  28. Anna Laiß: Julian Bruns, Kathrin Glösel und Natascha Strobl: Die Identitären. In: iz3w (Hrsg.): Rechtspopulismus – Rebellion der autoritären Charaktere. Ausgabe 359, März/April 2017.
  29. Wolfgang Frindte: Julian Bruns, Kathrin Glösel u.a.: Die Identitären. In: socialnet. 5. April 2017.
  30. Armin Pfahl-Traughber: Die „Neue Rechte“. In: Humanistischer Pressedienst. 15. April 2015.
  31. René Neumann: Rechte Kulturrevolution. In: Portal für Politikwissenschaft. 21. Mai 2015.
  32. Hilmar Klute: Rezension von Natascha Strobls: „Radikalisierter Konservatismus“. Abgerufen am 15. März 2022.
  33. Bruno-Kreisky-Preis 2021 geht an Eva Menasse. In: ORF.at. 1. Januar 2022, abgerufen am 1. Januar 2022.