Bernhard Heine

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Bernhard Franz Heine (* 20. August 1800 in Schramberg (Schwarzwald); † 31. Juli 1846 in Glockenthal bei Thun/Schweiz) war ein deutscher Instrumentenmacher, Knochenspezialist bzw. Pionier der Orthopädie und Erfinder des Osteotoms, einer Präzisionsknochensäge. Er war zudem Orthopäde und Hochschullehrer für Experimentalphysiologie in Würzburg.

Bernhard Heine

Bernhard Heines Eltern waren der Schramberger Weißgerber Franz Xaver Heine (1774–1858) und dessen Ehefrau Johanna Heine, geborene Kräutle (1777–1841). Sein Onkel war der Instrumentenmacher und Orthopäde Johann Georg Heine (1770–1838).

Lehrjahre in Würzburg

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits mit zehn (nach anderen Quellen dreizehn) Jahren wurde er bei seinem am Juliusspital beschäftigten Onkel in Würzburg in die Lehre als Instrumentenmacher (mit dem Spezialgebiet Orthopädiemechanik) gegeben, in dessen Werkstatt er die Herstellung orthopädischer Geräte erlernte. Ohne Immatrikulation besuchte er später medizinische Vorlesungen an der Julius-Maximilians-Universität. Nach mehreren Reisen übernahm er 1822 eine eigene Abteilung am Karolinen-Institut, der orthopädischen Heilanstalt Johann Georg Heines, wurde 1824 Werkmeister und übernahm die kommissarische[1] Leitung des Instituts als der Onkel 1829 nach Holland übersiedelte. 1835 wurde er dann alleiniger Institutsvorstand. In Würzburg gehörte er zu den Mitarbeitern des Chirurgen Cajetan von Textor. 1844 wurde er Extraordinarius für Experimentalphysiologie.[2]

Erfindung des Osteotoms

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bernhard Heines Osteotom (1830)
Grab auf dem Hauptfriedhof Würzburg

1830 übergab Bernard Heine der Fachwelt ein medizinisches Instrument, das er unter anfänglicher Mitwirkung seines Vetters Joseph Heine[3] nach 1824 begonnenen Forschungen entwickelt hatte. Es war eine damals neuartige Knochensäge mit einem durch Handkurbel bewegten kettenförmigem Messerblatt zum möglichst erschütterungsfreien Durchtrennen, die er Osteotom nannte und mit dessen Hilfe die operative Technik revolutioniert wurde. In der Fachwelt war man jedoch schon 1870 von der Verwendung von Heines Osteotom abgekommen.[4][5]

Bereits 1836 erschien eine Dissertation über Das Osteotom und seine Anwendung[6] und Heine reiste durch Deutschland, Frankreich und Russland, um es der Ärzteschaft vorzustellen. Ein Angebot des russischen Zaren Nikolaus, orthopädischer Leiter der kaiserlichen Erziehungsanstalt in Kronstadt zu werden, lehnte Heine ab und kehrte nach Würzburg zurück. Die bereits 1836 von der Universität erteilte Ehrendoktorwürde wurde zwei Jahre später zur Ehrenprofessur für den Mediziner ohne Abschlussexamen.

1844 wurde er in Würzburg zum außerordentlichen Professor für Experimentalphysiologie ernannt.[7]

Zahlreiche weitere Ehrungen in deutschen und europäischen[8] Ländern schlossen sich an. Für seine Entwicklung des Osteotoms sowie 1838 erneut für die gleichzeitig gefundenen Erkenntnisse zur Knochenneubildung nach Verletzungen er von der Pariser Akademie der Wissenschaften den Montyron-Preis.[9]

Forschungen über Knochenneubildung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bernhard Heine gelangte in Tierexperimenten zu noch heute gültigen Erkenntnissen über den Knochenaufbau und die Knochenregeneration (Neubildung von Knochen nach Verletzungen). Heine bewies, dass die Knochenhaut, das Periost, bei der Knochenneubildung eine wesentliche Rolle spielt und deshalb bei der Operation zu schonen ist. Sein früher Tod hat verhindert, dass er seine erstmals 1836 (Über die Wiedererzeugung neuer Knochenmasse und Bildung neuer Knochen) veröffentlichten Forschungsergebnisse in einem wissenschaftlichen Gesamtwerk veröffentlichen konnte. Mit seinen Forschungsarbeiten und Tierversuchen gehört Bernhard Heine, dessen experimentalchirurgische Forschungen etwa von dem Anatomen Heinrich Müller mit der Abhandlung Über die Wiedererzeugung neuer Knochenmassen und Bildung neuer Knochen 1856 aufgegriffen wurde, zu den Pionieren des systematischen Experiments in den Naturwissenschaften.[10][11]

Er lehrte seit 1844 als außerordentlicher Professor an der Würzburger Universität Experimentalphysiologie, wurde aber durch eine fortschreitende Lungentuberkulose schon bald dienstunfähig und starb bei einem Erholungsurlaub in der Schweiz.

Erst achtzig Jahre nach seinem Tod (1926) wurden die Forschungsergebnisse wiederentdeckt und veröffentlicht.[12]

Bernhard Heine heiratete 1837 sein Cousine Anna Heine (1801–1884), eine Tochter von Johann Georg Heine.[13] Das Paar hatte einen Sohn und eine Tochter, darunter:

  • Anna (* 17. April 1842) ⚭ Freiherr August von König (* 24. August 1831; † 9. Februar 1906), württembergischer Staatsrat[14]
  • Heinz Hansen: Die Orthopädenfamilie Heine – Leben und Wirken der einzelnen Familienmitglieder im Zeichen einer bedeutenden deutschen Familientradition des neunzehnten Jahrhunderts. Dissertation, Dresden 1993
  • Hans Hekler: Bernhard Heine – von Königen geehrt und von Zar Nikolaus umworben. In: D’Kräz (Beiträge zur Geschichte der Stadt und Raumschaft Schramberg). Heft 10, Schramberg 1990 (auch online, siehe Weblinks).
  • Andreas Mettenleiter: Bernhard Heine – ein Pionier der Orthopädie. In: Blick. 2000, Nr. 2, S. 135–136; auch in: Orthopädische Nachrichten. 11, 2000, S. 24.
  • Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg, Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 156–158 und öfter.
  • P. Pierhuard, P. Lefebvre, P. Nosny, J.-L. Plessis: La scie ostéotomie à chaîne de Bernhard-Franz Heine (1800–1846). In: Histoire des sciences médicales. Band 17, 1983, S. 147–157.
  • Walter Rolf Leis: Bernhard Heine. Sein Leben und Wirken in Würzburg, seine Bedeutung für unsere Zeit und für uns. Medizinische Dissertation Würzburg 1972.
  • Pierre Huard u. a.: La scie ostéotomie à châine de Bernhard Franz Heine (1800–1846). In: Hist. des sciences méd. Band 17, 1983, S. 147–157.
  • Markwart MichlerHeine, Bernhard Franz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 281 f. (Digitalisat).
  • Doris Schwarzmann-Schafhauser: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 561.
  • Sabine Seffert: Die Bedeutung des Wissenschaftlers Prof. Dr. Bernhard Heine (1800–1846) für seine Zeit, insbesondere für die deutsche und französische Orthopädie. In: Zeitschrift für Orthopädie. Band 123, 1985, S. 89–93.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Doris Scharzmann-Schafhauser: Heine, Bernhard. 2005, S. 561.
  2. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg, Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 155 und 157.
  3. August Rütt: Heine, ein Name deutscher Pioniere der Orthopädie des frühen 19. Jahrhunderts in Würzburg und ihre Wirkung für die „Alte Welt“. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 4, 1986, S. 93–103, hier: S. 97–98.
  4. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg, Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 156–157 und 162.
  5. Vgl. auch W. Vriend-Vermeer: Het osteotoom van Bernhard Heine. In: Med. Tijdschrift voor Geneeskunde. Band 107, 1963, S. 1930–1932.
  6. Carl Noodt: Das Osteotom und seine Anwendung. Dissertation München 1836. Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3DkUVoAAAAcAAJ~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D
  7. August Rütt (1986), S. 99
  8. Vgl. etwa Sabine Seffert: Die Wertung der Montyon-Preise für die Leistung deutscher Orthopäden des 19. Jahrhunderts am Beispiel von Bernhard Heine (1800–1846). Königshausen & Neumann, Würzburg 1986 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 40). Zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1986.
  9. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. 2001, S. 156–157.
  10. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. 2001, S. 157 und 433.
  11. August Rütt (1986), S. 98 f.
  12. Walter Vogeler, Ernst Redenz, Hermann Walter, Bernhard Martin: Bernhard Heines Versuche über Knochenregeneration. Sein Leben und seine Zeit. Springer, Berlin 1926, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3DM7eoBgAAQBAJ~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D
  13. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. 2001, S. 113.
  14. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser 1907, S.398