Carl Ritter

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Carl Ritter, auch Karl Ritter, (* 7. August 1779 in Quedlinburg; † 28. September 1859 in Berlin) gilt neben Alexander von Humboldt als Begründer der wissenschaftlichen Geographie.

Carl Ritter, Lithographie von Rudolf Hoffmann, 1858
Carl Ritter, 1844

Carl Ritter wurde 1779 im heute nicht mehr bestehenden Haus Steinbrücke 15 in Quedlinburg geboren.[1] Er war ab 1785 Schüler von Johann Christoph Friedrich GutsMuths in Schnepfenthal an der Salzmannschule Schnepfenthal. 1795 traf er den Frankfurter Kaufmann Johann Jakob Bethmann-Hollweg, der ihm ein Universitätsstudium an der Universität Halle ermöglichte und ihn 1798 nach Frankfurt am Main als Hauslehrer für seine Kinder holte.

Ritter besuchte zeitweise mit seinen Schülern zusammen das Frankfurter Gymnasium, um seine Kenntnisse in Latein und Griechisch zu vervollständigen. Gleichzeitig unterrichtete er dort auch Geographie, Geschichte und Naturgeschichte. 1810 bis 1812 lebte er mit seinen Zöglingen in Genf. Von 1813 bis 1818 arbeitete er in Göttingen an seinem wissenschaftlichen Hauptwerk Die Erdkunde im Verhältnis zur Natur und Geschichte des Menschen, oder allgemeine vergleichende Geographie als sichere Grundlage des Studiums und Unterrichts in physikalischen und historischen Wissenschaften. 1819 wurde er für kurze Zeit Professor am Frankfurter Gymnasium als Nachfolger von Friedrich Christoph Schlosser.

Akademische Laufbahn

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1820 wurde er auf den Lehrstuhl für „Erd-, Länder-, Völker- und Staatenkunde“ an der Berliner Universität berufen.[2] Seine Vorlesungen waren sehr beliebt und wurden von gegensätzlichen Persönlichkeiten wie Otto von Bismarck, dem späteren preußischen Kriegsminister Albrecht von Roon, der selbst mehrere Werke über Geografie im Sinne Ritters schrieb, und Karl Marx besucht. In Berlin lernte Ritter im Jahr 1824 den Schweizer Geografen Gerold Meyer von Knonau kennen, mit dem er eine langjährige Brieffreundschaft pflegte. Ritters Forschungsschwerpunkt lag allerdings nicht auf dem Gebiet der physikalischen Geographie, sondern durchaus im Sinne der Romantik auf den Beziehungen zwischen der natürlichen Umwelt einerseits und dem Menschen und seiner Kultur, wobei er sich freilich nicht mystischen Spekulationen hingab, wie sich diese häufig in der zeitgenössischen Naturphilosophie finden. Ritters Ansatz schuf vielmehr langfristig die Grundlage für eine Kulturökologie; freilich noch in einer Art „Kulturklimatologie“, die seit der Antike Zusammenhänge zwischen menschlichen Eigenschaften und Klimazonen herstellte.[3] Überdies befasste sich Ritter sehr stark mit historischer Geographie. Er gehörte zu den Mitbegründern der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Er bildete eine Gruppe von Reformern, zu der auch Theodor Freiherr von Liechtenstern und Alexander von Humboldt (1769–1859) gehörten, welche die sich seit der Jahrhundertwende vollziehende Entwicklung der Geographie zu einer modernen Wissenschaft in die Schulen trugen.

Forschungstätigkeit

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Carl Ritter war sehr an der außereuropäischen Welt interessiert, vor allem an Afrika, dem er den ersten Band seines vielbändigen Werkes über Erdkunde (1817, erw. Ausgabe 1822) widmete. Die Beschäftigung mit Afrika ließ ihn zu einem radikalen Gegner der Sklaverei und des Sklavenhandels werden, was ihn mit Alexander von Humboldt verband. Besonderes Augenmerk richtete Ritter auf die Kolonie Liberia, von der er einen zivilisatorischen Impuls für den gesamten Kontinent erwartete. Insofern war Ritter in traditionellen, christlich-abendländischen Denkkategorien verhaftet, aber er war im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen nicht von der angeborenen Höherwertigkeit der Weißen überzeugt. Ritter relativiert und lehnt teilweise die, in seiner Zeit populäre, calvinistisch geprägte Prädestinationslehre ab. Durch seine empirischen Studien sieht er im international denkenden und handelnden Menschen die Möglichkeit zur Veränderung eines regionalen Zustandes. Die Naturressourcen der einzelnen Regionen, mit denen der Mensch umgehen muss, sind seiner Ansicht nach die „Mitgift“ Gottes.[4] Daher ist der kleine Kontinent Europa „zum (kulturellen) Herrscher über die ganze Welt“ geworden.[5] Aus verschiedenen Gründen förderte Carl Ritter die Afrikaforschung.

Einer seiner bekanntesten Studenten war bis 1844 der nachmalige Afrikaforscher Heinrich Barth, der durch Vermittlung Carl Ritters und der preußischen Gesandtschaft zu London 1849 mit dem Londoner Foreign Office einen Vertrag als Teilnehmer an der Sahara-Sudan-Expedition abschloss. Nach Barths Rückkehr aus Afrika 1855 wurde auf dessen Veranlassung die Carl-Ritter-Stiftung gegründet. Barths Versuch, als außerordentlicher Professor für Geographie an der Universität Berlin das von Ritter vorgegebene kulturhistorische Forschungsparadigma weiterzuführen, scheiterte an der Abwendung der Geographie von historischen Fragestellungen und der Hinwendung zu einer naturwissenschaftlichen Ausrichtung, d. h. zur physikalischen Geographie, wie sie ab ca. 1870 von Georg Gerland und Oscar Ferdinand Peschel erfolgreich propagiert und unter anderem an der Universität Straßburg etabliert wurde.

Ein weiterer Schüler von Carl Ritter, der Bedeutung in der Geschichte der Forschungsreisen erlangte, war der spätere Chinaforscher Ferdinand von Richthofen.

Einer seiner bekanntesten Schüler und begeisterter Unterstützer war der Schweiz-Amerikaner Arnold Henri Guyot. Guyot hörte Vorlesungen von Ritter und Humboldt und wurde 1854 bis zu seinem Ausscheiden 1880 Professor für Physische Geographie am College of New Jersey (der heutigen Princeton University).

Ritter war Gründer und wirkliches Mitglied der 1808 in Hanau entstandenen Wetterauischen Gesellschaft für die gesamte Naturkunde[6] 1820 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[7] 1822 wurde er ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und 1842 wurde er mit dem Orden pour le Mérite für Wissenschaft und Künste ausgezeichnet. 1836 wurde er Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg. Die Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique[8] nahm ihn 1847 als assoziiertes Mitglied und die Bayerische Akademie der Wissenschaften 1848 als auswärtiges Mitglied auf, im selben Jahr ernannte ihn die Österreichische Akademie der Wissenschaften zum Ehrenmitglied. 1849 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences und 1855 in die Académie des Inscriptions et belles-lettres gewählt. Von 1850 bis 1851 war er korrespondierendes Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften.[9] Im Jahre 1853 erhielt er den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst.[10]

Durch die Gesellschaft für Erdkunde wurde bis in die 1980er Jahre die Carl-Ritter-Medaille verliehen.

In Quedlinburg wurde Carl Ritter 1865 am Eingang zum Brühl ein Denkmal gesetzt. Sein Geburtshaus Steinbrücke 15 wurde um 1955 abgerissen. Ein weiteres Denkmal im Mummental stellt Johann Christoph Friedrich GutsMuths und Carl Ritter als Lehrer und Schüler dar. Das Bildungshaus Carl Ritter trägt seit 1990 seinen Namen.

Das Rittergebirge in China wurde durch seinen Schüler Ferdinand von Richthofen zu seiner Ehre benannt. Ebenfalls seinen Namen tragen der Mondkrater Ritter und der Mount Ritter in Kalifornien.

Im Bismarck-Archipel wurde die später durch einen verheerenden Vulkanausbruch berühmt gewordene Ritter-Insel nach ihm benannt.[11]

Grabstätte

Sein Grab befindet sich auf dem St.-Marien- und St.-Nikolai-Friedhof I im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg.[12]

Publikationen (Auswahl)

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  • Gustav Kramer: Carl Ritter. Ein Lebensbild nach seinem handschriftlichen Nachlass. 2 Bde. Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1864. (Umfangreiche Biografie geschrieben von seinem Neffen.)
  • Oscar Peschel: Geschichte der Erdkunde bis auf Alexander v. Humboldt und Carl Ritter. Cotta, München 1865.
  • Friedrich RatzelRitter: Karl. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 28, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 679–697.
  • Heinrich Schmidthenner: Carl Ritter 1779–1859. In: Die großen Deutschen. Band 3. Berlin 1956, S. 189–200.
  • Lothar Zögner: Carl Ritter in seiner Zeit (1779–1859). Ausstellung der Staatsbibliothek preußischer Kulturbesitz, Berlin 1. November 1979 – 12. Januar 1980. Ausstellung und Katalog. Berlin 1979.
  • Karl Lenz (Hrsg.): Carl Ritter – Geltung und Deutung. Beiträge des Symposiums zum 200. Geburtstag von Carl Ritter, 1979. D. Reimer, Berlin 1981 (darin Peter Kremer: Carl Ritters Einstellung zu den Afrikanern – Grundlagen für eine philanthropisch orientierte Afrikaforschung.)
  • Hanno Beck: Carl Ritter. Genius der Geographie. Zu seinem Leben und Werk. Dietrich Reimer, Berlin 1979, ISBN 3-496-00102-X.
  • Hanno Beck: Carl Ritter – Genius der Geographie (1779–1859). In: Hanno Beck: Große Geographen. Pioniere – Außenseiter – Gelehrte. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1982, ISBN 3-496-00507-6, S. 103–120.
  • Peter Bernhardt, Jürgen Breuste: Schrifttum über Carl Ritter (= Geographisches Jahrbuch. Band 66). Hermann Haak, Gotha 1983, DNB 831013214.
  • Max Linke: Ritters Leben und Werk. Halle 2000, ISBN 3-932863-28-3.
  • Uta LindgrenRitter, Carl Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 655 f. (Digitalisat).
  • Ulrich Päßler unter Mitarb. v. Eberhard Knobloch (Hrsg.): Alexander von Humboldt – Carl Ritter. Briefwechsel (= Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung. Band 32). Berlin 2010, ISBN 978-3-05-004676-1.
  • Peter Goßens: Carl Ritter und die Weltliteratur. Zur Frühgeschichte des ›spatial turn‹. In: Michael Eggers (Hrsg.): Von Ähnlichkeiten und Unterschieden. Vergleich, Analogie und Klassifikation in Wissenschaft und Literatur (18./19. Jahrhundert). Winter, Heidelberg 2011, S. 91–120.
  • Hans-Dietrich Schultz: „Heldengeschichten“ oder: Wer hat die Geographie (neu) begründet, Alexander von Humboldt oder Carl Ritter? In: Bernhard Nitz, Hans-Dietrich Schultz, Marlies Schulz (Hrsg.): 1810 – 2010: 200 Jahre Geographie in Berlin (= Berliner Geographische Arbeiten, Band 115). Berlin 2010, S. 1–45 [2. verb. u. erw. Aufl. 2011, S. 1–49].
  • Felix Schmutterer: Carl Ritter und seine „Erdkunde von Asien“. Die Anfänge der wissenschaftlichen Geographie im frühen 19. Jahrhundert. Dietrich Reimer, Berlin 2018.
  • Hubert Olbrich: Anordnungen auf der Außenseite des Erdballs – Der Geograph Carl Ritter (1779-1859). In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 1, 2001, ISSN 0944-5560, S. 73–77 (luise-berlin.de).
Commons: Carl Ritter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Carl Ritter – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Hans-Hartmut Schauer, Quedlinburg – Fachwerkstadt, weltkulturerbe, Verlag Bauwesen Berlin 1999, ISBN 3-345-00676-6, Seite 20
  2. Hans-Dietrich Schultz: „Heldengeschichten“ oder: Wer hat die Geographie (neu) begründet, Alexander von Humboldt oder Carl Ritter? In: Bernhard Nitz, Hans-Dietrich Schultz, Marlies Schulz (Hrsg.): 1810–2010: 200 Jahre Geographie in Berlin (= Berliner Geographische Arbeiten, 115). Berlin 2010, S. 1–45, hier S. 18
  3. Sascha Leufke (Autor), Michael Hemmer, Gabriele Schrüfer, Jan Christoph Schubert (Hrsg.): Klimazonen im Geographieunterricht - Fachliche Vorstellungen und Schülervorstellungen im Vergleich in Münsteraner Arbeiten zur Geographiedidaktik, Band 02, 2011, PDF. S. 13–14.
  4. Vgl. z. B. Andreas Schach: Naturphilosophie und Geographie: Erkenntnistheoretische Überlegungen, Reform der Geographie und mögliche heutige Implikationen. Lit, Münster 1996 (Voransicht bei Google Books).
  5. Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Band 8. Saur, München 2007, S. 442 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3DIG3Rp8NAO8EC~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3DPA442~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  6. Annalen der Wetterauischen Gesellschaft für die gesammte Naturkunde. Friedrich Wilmans, Frankfurt am Main 1809, Band 1, S. ii (online).
  7. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Band 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Band 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 202.
  8. Académicien décédé: Carl Ritter. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 8. Dezember 2023 (französisch).
  9. Past Members: K. Ritter. Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 2. Juli 2023.
  10. Hans Körner: Der Bayerische Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst und seine Mitglieder. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, Band 47, 1984, S. 299–398 (online).
  11. Volcanic Events of the German Era: 1884–1914. press.anu.edu.au (PDF)
  12. Grab von Carl Ritter. knerger.de