Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 14
- Das Jacobiideal und die Milnorzahl
Es sei ein Polynom . Man nennt
das Jacobiideal von .
Das Jacobiideal ist ein Ideal im Polynomring . Für einen Punkt betrachtet man das Jacobiideal auch in der Lokalisierung . Da wir an lokalen Eigenschaften interessiert sind, ist diese Interpretation wichtiger.
Es sei ein Polynom und die zugehörige Hyperfläche und .
Dann ist das Jacobiideal im lokalen Ring genau dann das Einheitsideal, wenn ein glatter Punkt der Hyperfläche ist.
Die Glattheit bedeutet im Fall eines Polynoms nach der Definition einfach, dass die partiellen Ableitungen im Punkt insgesamt eine surjektive Abbildung
definieren. Dies ist genau dann der Fall, wenn mindestens ein Eintrag ist. Im lokalen Ring bedeutet dies, dass nicht alle partiellen Ableitungen im maximalen Ideal enthalten sind, was genau dann der Fall ist, wenn sie das Einheitsideal erzeugen.
Es sei ein Polynom , die zugehörige Hyperfläche und ein Punkt. Man nennt die - Dimension des Restklassenringes die Milnorzahl im Punkt .
Aufgrund von Lemma 14.2 ist genau dann ein glatter Punkt der Hyperfläche, wenn seine Milnorzahl gleich ist. Insofern ist die Milnorzahl ein sinnvolles Singularitätsmaß.
Häufig kann man die Milnorzahl auch direkt als Dimension der Restklassenalgebra des Polynomrings ausrechnen und muss nicht in der Lokalisierung arbeiten. Dies beruht auf dem folgenden algemeinen Resultat.
Es sei ein kommutativer Ring, ein Ideal, das als Radikal mit dem maximalen Ideal übereinstimmt.
Dann ist
Wir haben ein kommutatives Diagramm
von - Algebrahomomorphismen. Ein Element
ist ein Einheit in . Es gibt nämlich oberhalb von kein maximales Ideal, da es oberhalb von nur gibt, und somit ist . Daher gibt es und mit , was wiederum in bedeutet. Somit gibt es nach Lemma Anhang 1.5 auch einen natürlichen -Algebrahomomorphismus
Daraus ergibt sich auch ein Algebrahomomorphismus
Die Hintereinanderschaltungen müssen dabei Isomorphismen sein.
Es sei derart, dass nur einen kritischen Punkt besitzt.
Dann ist die Milnorzahl gleich der - Vektorraumdimension von .
Nach Voraussetzung ist
mit einem einzigen maximalen Ideal zu einem Punkt . Nach Lemma 14.4 gilt
und somit stimmt auch die - Dimension überein.
Wir betrachten die durch ein Polynom der Form
gegebene Hyperfläche im Nullpunkt (mit ). Der Körper sei so, dass die Exponenten in von verschieden seien. Das Jacobiideal ist
Im Restklassenring (vergleiche Lemma 14.5)
bilden die Monome mit eine - Basis und somit ist die Milnorzahl dieser Hyperfläche gleich .
Die Milnorzahl kann unendlich sein.
Wir betrachten die durch ein Polynom der Form
gegebene Hyperfläche im Nullpunkt. Das Jacobiideal ist
Wir betrachten den Restklassenring . Bei ist dieser eindimensional und die Milnorzahl ist . Bei hingegen sind die Monome
linear unabhängig und daher besitzt der Restklassenring die - Dimension unendlich. Die Milnorzahl dieser Hyperfläche ist also unendlich.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper, ein Polynom , die zugehörige Hyperfläche und ein Punkt.
Dann ist die Milnorzahl im Punkt genau dann endlich, wenn eine (allenfalls) isolierte Singularität ist.
Wir können direkt annehmen, dass ein singulärer Punkt der Hyperfläche ist. Dann ist
im lokalen Ring . Wenn eine isolierte Singularität, so gibt es ein , , in diesem Hyperflächenring derart, dass der einzige singuläre Punkt in . ist. Dies bedeutet nach Lemma 14.2, dass das Jacobiideal im Ring nur in dem einzigen maximalen Ideal enthalten ist. Dies bedeutet nach dem Hilbertschen Nullstellensatz, dass das Radikal des Jacobiideals gleich ist. Somit gibt es ein mit
in . Dann gibt es einen surjektiven Algebrahomomorphismus
und die Endlichkeit links impliziert die Endlichkeit rechts.
Es sei umgekehrt
endlich als -Vektorraum. Dann hat die Krulldimension und in diesem lokalen Ring haben und das gleiche Radikal, d.h. es gilt
mit einem gewissen . Diese Beziehung kann man durch endlich viele Gleichungen ausdrücken, und damit gelten sie auch in für ein geeignetes , das eine offene Umgebung von beschreibt. Dies bedeutet wiederum, dass auf der Punkt der einzige singuläre Punkt ist.
Es sei ein Körper, eine lineare Abbildung und
der zugehörige - Algebrahomomorphismus der Polynomringe.
Dann gilt für das Jacobiideal zu die Beziehung
wobei das Erweiterungsideal ist.
- Die Hesse-Matrix
Wir erinnern an die Hesse-Matrix. Deren Definitheitseigenschaften sind im reellen Fall entscheidend, ob in einem kritischen Punkt ein lokales Extrema der Funktion vorliegt oder nicht, siehe Satz 50.2 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).
Es sei ein endlichdimensionaler Vektorraum über , eine offene Menge und
eine zweimal stetig differenzierbare Funktion. Es sei eine Basis , , von gegeben mit den zugehörigen Richtungsableitungen , . Zu heißt dann die Matrix
die Hesse-Matrix zu im Punkt bezüglich der gegebenen Basis.
Es sei ein endlichdimensionaler Vektorraum über , eine offene Menge und
eine zweimal stetig differenzierbare Funktion. Es sei eine Basis , , von gegeben mit den zugehörigen Richtungsableitungen , . Ein kritischer Punkt heißt nichtausgeartet, wenn die Determinante der Hesse-Matrix
nicht ist.
Es sei ein Körper, ein Polynom und ein kritischer Punkt von . Dann heißt nichtausgeartet, wenn die Determinante der Matrix
ungleich ist.
Die folgende Aussage brauchen wir, um Milnorzahl charakterisieren zu können.
Es sei ein Körper und seien
Dann ist die Matrix
genau dann im Nullpunkt invertierbar, wenn die Idealgleichheit
in der Lokalisierung gilt.
Wir setzen und in . Die Abbildung
entspricht über die Identifizierung (siehe Lemma 13.5)
der Ableitung, die wiederum in den Komponenten wegen Lemma 12.5 den partiellen Ableitungen von entsprechen. Somit ist die von
induzierte Abbildung
durch gegeben.
Wenn die Determinante der Matrix ungleich ist, so ist diese Abbildung surjektiv. Wegen dem Lemma von Nakayama ist dann bereits surjektiv. Wenn die Determinante gleich ist, so ist die Gesamtabbildung nicht surjektiv und dann ist auch die vordere Abbildung nicht surjektiv.
Es sei ein Körper, ein Polynom und ein kritischer Punkt von .
Dann ist genau dann ein nichtausgearteter kritischer Punkt, wenn die partiellen Ableitungen in der Lokalisierung das maximale Ideal erzeugen, wenn also das Jacobiideal im Punkt mit dem maximalen Ideal übereinstimmt, und dies ist genau dann der Fall, wenn die Milnorzahl von in gleich ist.
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